Glaubensgemeinschaften in den Medien: Verbreitet das Wort!
Fernsehpredigten, eigene Radiosender, Magazine – und jetzt auch Youtube-Sternchen: Die Kirchen starten eine Medienoffensive.
„Seriously, Dad? Seriously?!“ Clara kriegt sich gar nicht mehr ein. In Spießer-Pulli, mit Spießer-Brille und Dutt erzählt sie völlig aufgelöst die Geschichte eines amerikanischen Schülers. Der hat erfahren, dass sein Vater Informationen aus einer Art Wikipedia für Christen zieht. Am Ende fordert Clara ihre Zuschauer dazu auf abzustimmen, ob sie glauben, dass es ein kreationistisches Wikipedia gibt oder nicht.
Das Video fordert derart zum Fremdschämen auf, dass es genauso gut aus der Schmiede von „Extra3“ stammen könnte, allein: Der Film steht im YouTube-Kanal der katholischen Kirche. Clara ist Teil einer neuen Medienoffensive. Die Kirche will eigene YouTube-Stars erfinden. Das wiederum scheint ein langer Weg zu sein: Claras „//www.youtube.com/watch?v=sIDoOtGU504:Glaub ich nicht! Wikipedia auf kreationistisch“ haben sich seit Veröffentlichung vor zwei Monaten nicht mal tausend Nutzer angesehen.
Etwas besser lief das //www.youtube.com/watch?v=fpsHCTTfokM&index=1&list=PLarPhgGhSYjBnjCOWv1CqtG5rQqmouggk:Video von ihrem Kollegen Ruben, der von einer ganz besonderes skurrilen Reliquie gehört haben will: dem Schiss jenes Esels, auf dem Jesus am Palmsonntag eingeritten sei. 2.500 Zugriffe. Viral geht anders.
Mit den Videos versucht die Kirche, auch hierzulande Neuland zu betreten – während ihr Chef, Papst Franziskus, bereits fröhlich auf diversen Sprachen weit mehr als fünf Millionen Twitter-Nutzer bespaßt. Mit den hippen Videoformaten in Deutschland reize man nun aus, „was eine Institution wie die katholische Kirche aushält“, erklärte unlängst David Hober, der das Portal katholisch.de leitet – ein modernes Projekt, das genauso wie evangelisch.de um die Aufmerksamkeit vor allem jüngerer Menschen buhlt.
Predigt oder Fußball?
Die beiden großen christlichen Kirchen sind in Deutschland seit jeher mit viel Aufwand in den Medien präsent. Bei der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) gehe die Medienarbeit schließlich bis zur Reformation zurück. „Martin Luther wollte seine Ideen unters Volk bringen und tat das nicht zuletzt, indem er auf den Buchdruck zurückgriff, der damals noch eine vergleichsweise frische Technik war“, erklärt Markus Bräuer, der Medienbeauftragte der EKD. „Genauso gehen wir mit der Zeit und nutzen die modernen Medien.“
Anders als die Deutsche Bischofskonferenz, die mit der taz lediglich schriftlich kommunizieren wollte, hat sich Bräuer problemlos auf ein Gespräch eingelassen. Ihm ist anzumerken, dass er damit nicht zuletzt einiges verteidigen will: die Präsenz in Radio und Fernsehen, die immer wieder in der Kritik steht.
Bräuer verweist auf die 48 Millionen Deutschen, die der evangelischen oder katholischen Kirche angehören. Diese Menschen erwarteten, „dass ihr Glauben, ihre Fragen und Zweifel“ vorkämen – nicht zuletzt in den öffentlich-rechtlichen Programmen. „Es gibt ja auch viele Zuschauer, die sich nicht für Volksmusik oder Fußball interessieren und die trotzdem mit dafür bezahlen, dass andere diese Inhalte sehen und hören können.“ Die ARD sendet „Das Wort zum Sonntag“, das ZDF wöchentlich Gottesdienste. Zuletzt haben die Übertragung laut Sender 610.000 Menschen eingeschaltet. „Ja, das ist viel“, sagt Bräuer. „Aber wir wissen natürlich auch, dass das vor allem Senioren sind. Die 25-Jährigen werden wir damit nicht erreichen.“ Auch deshalb: mehr Internet, mehr neue Formate, auch von der EKD. Bloß eigene YouTube-Stars hat sie – bislang – nicht kreiert.
Evangelische Expansion
Beide Kirchen betreiben auch eigene Nachrichtenagenturen. Sie senden außerdem im Hörfunk – auch hier auf Drittsendezeiten sowohl im privaten als auch in öffentlich-rechtlichen Programmen. Allein die kurzen „Verkündigungssendungen“ der evangelischen Kirche in den Privatradios haben zuletzt laut Medienforschung 40 Millionen Hörer erreicht: 88 Mini-Formate auf mehr als 270 Sendeplätzen. Mit Radio Paradiso sendet sogar ein eigener christlicher Sender, und das seit wenigen Wochen nicht mehr nur in Berlin und Brandenburg, sondern auch in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. Evangelische Expansion. Denn die EKD ist an dem Projekt mittelbar beteiligt.
Die Kirchen lassen sich ihre Präsenz viel kosten. Der Verband der 27 Bistümer budgetierte für das laufende Jahr fast 15 Millionen Euro für seine Medienarbeit ein, die EKD rund 13 Millionen Euro. Was damit passiert, kann man teils natürlich belächeln wie Bibel TV mit der aktuellen Kampagne „Gott statt Schrott“ – vor allem als Atheist. Natürlich geht es nicht zuletzt darum, dass die Kirche etwa in der Politik präsent bleibt. Andererseits: Mit ihren Angeboten füllen sie auch Lücken. Ihre Nachrichtenagenturen KNA und epd und ihre Fachmagazine berichten so umfassend über das Geschehen in der Sozial- und Medienpolitik wie niemand sonst. Und auch die Entwicklungshilfe steht bei ihnen konsequent im Fokus.
Vor allem die katholische Kirche hat allerdings auch herbe Rückschläge in ihrer Medienarbeit hinnehmen müssen. Die Verlagsgruppe Weltbild meldete Insolvenz an, die Wochenzeitung Rheinischer Merkur musste gar eingestellt werden. Beide Projekte leben immerhin auf Sparflamme weiter – Weltbild mit einem neuen Investor, der Kern des Merkurs als Beilage Christ und Welt in der Zeit. Die EKD stützt derweil weiter ihr Magazin Chrismon und legt es vielen Zeitungen bei. Die 32-seitige Hochglanzausgabe zum Reformationstag gar 50 Tages- und Wochenzeitungen mit einer Auflage von zusammen 6,7 Millionen Exemplaren – von der FAZ bis zur Zeit. Für die Kirche ist das ein Prestige-, aber trotz des klassischen Anzeigengeschäfts auch ein Zuschussgeschäft.
Ausbildung der Jungen
So präsent die Kirchen in der Gesellschaft sind, so sehr sind sie es natürlich auch in der Medienbranche: Der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg, berät die Bischofskonferenz offiziell in Medienfragen. Einen seiner Ratschläge hat die Katholische Nachrichtenagentur transportiert: Die Kirche solle ihre Medienaktivitäten unter einer einheitlichen Marke bündeln, um besser wahrgenommen zu werden.
Außerdem bilden die Kirchen selbst Journalisten aus – und füllen auch dabei Lücken. So hat die katholische Kirche ihr Institut zur Förderung des publizistischen Nachwuchses (IFP) zuletzt aufgestockt, während Sender Volontariate zurückgefahren und Gruner + Jahr gar an der renommierten Henri-Nannen-Schule sparte. Die EKD betreibt wiederum in Berlin eine eigene Journalistenschule. Beide Ausbildungen genießen in der Szene einen guten Ruf. Die Plätze sind begehrt. Das Schöne für die Kirchen: Mit jedem neuen Jahrgang wächst der Kreis der Medienschaffenden, die ihnen besonders verbunden sind.
All diese Aktivitäten zeigen, dass die Kirchen weiter im großen Stil Medien machen und in den Medien vorkommen wollen – künftig am liebsten noch intensiver. Der katholische Medienbischof Gebhard Fürst rief seine Mitstreiter dazu auf, endlich besser zusammen zu arbeiten, denn die Print-, TV-, Hörfunk- und Online-Medien in den Bistümern würden sich zu sehr voneinander abschotten: „Wir müssen uns mutiger, crossmedialer, kompetenter aufstellen.“ Das klingt fast wie eine kleine Kampfansage.
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