Politkrimi auf BBC: Allein unter Wölfen
In „Hunted“ wird die Spionin zur Gejagten. Die Serie lebt von psychischer Intimität ohne den üblichen Voyeurismus zu bedienen.
In der florierenden Berichterstattung über Fernsehserien kommen britische Titel immer ein wenig zu kurz. Zu Unrecht, wissen doch auch die den Markt beherrschenden US-Amerikaner Albions Expertise sehr zu schätzen. So gehen sämtliche Finessen der über den Klee gerühmten US-Serie „House of Cards“ auf das britische Vorbild aus dem Jahr 1990 zurück. Mit dem Unterschied: Damals war’s ein Stück politische Aufklärung; das Remake spielt, indem es Politik und Presse chronische Korruption nachsagt, eher Populisten in die Hände.
Politkrimis haben im britischen Fernsehen Tradition. Jüngst traute sich der britische Autor Hugo Blick mit „The Honourable Woman“ sogar an eine Examination des Konflikts zwischen Palästinensern und Israelis unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Interessen des eigenen Landes und der USA. In Form eines Thrillers. In brillanter Ausführung.
Ganz so weit spannte Frank Spotnitz – durch seine Autoren- und Produzententätigkeit für „Akte X“ eine Kultfigur – den Bogen nicht. 2012 hatte er die Serie „Hunted“ für die BBC und den US-Kabelanbieter Cinemax hergestellt. Doch auch er nimmt Bezug auf das weltpolitische Geschehen.
Die Handlung eröffnet in Tanger mit einem wilden Liebesakt. Für US-Kabelsender zählen solche Szenen zur Geschäftsgrundlage, denn damit unterscheiden sie sich von den frei empfangbaren Stationen, die in Sachen Sex und Gewalt bis hin zum Vokabular der Zensur unterliegen. Für Sam Hunter (Melissa George) gehört das erotische Intermezzo zum Job. Sie wurde auf Bernard Faroux (Dhaffer L’Abidine) angesetzt, um einen Gefangenen zu befreien. Das Manöver gelingt, Sam schützt ihren eigenen Tod vor – nur um sich dann einer echten Attacke ausgesetzt zu sehen.
läuft immer dienstags um 23.30 Uhr auf RTL 2.
Sie überlebt schwer verletzt, taucht unter, meldet sich nach ihrer Genesung überraschend bei ihrem Arbeitgeber, dem privaten Nachrichtendienst Byzantium, zurück. Dort wähnte man sie tot, begegnet ihr mit Misstrauen, aber für den aktuellen Einsatz kommt sie gerade recht.
Kein zoologischer Blick
Jemand muss in den Haushalt des Unternehmers Jack Turner (Patrick Malahide) eingeschleust werden. Turner ist vom East-End-Gangster zum Immobilientycoon aufgestiegen und will nun ein ganz großes Ding drehen: Er bewirbt sich um die Nutzungsrechte an einem pakistanischen Staudamm, die – gegen den Willen der Opposition – meistbietend versteigert werden sollen. Da gibt es selbstredend potente Konkurrenten. Die wüssten gern, wie hoch Turners Offerte ausgefallen ist. Und was sich tatsächlich hinter seinem Engagement verbirgt.
Diese geopolitischen Zusammenhänge verhandelt Spotnitz auf Londoner Terrain. Sam Hunter gelingt es, das Vertrauen von Stephen Turner (Stephen Campbell Moore) zu gewinnen, dem ungeliebten Sprössling des Unternehmers, einem Witwer mit Kind, um den die Agentin sich kümmern soll. Während sie als Mitbewohnerin der feudalen Villa kaltblütig spioniert, geht sie zugleich der Frage nach, wer in Tanger auf sie schießen ließ. Denn nur ihre Kollegen wussten von ihrem Aufenthalt.
Das Geschehen ist voller überraschender Wendungen, manchmal überkonstruiert, dabei immer fesselnd. Auf gewaltpornografische Mätzchen nach Art skandinavischer Autoren oder der US-Serie „True Detective“ kann Spotnitz problemlos verzichten. Seine Technik ist hergebracht, aber wirkungsvoll: Er spielt immer wieder mit der Möglichkeit, dass die Agentin enttarnt oder erneut betrogen wird.
Psychologische Implikationen stärken diese Spannungsmomente – Sam Hunters Verletzlichkeit nach dem beinahe tödlichen Anschlag, ihre damalige Schwangerschaft, die problematischen Familienbeziehungen im Hause des Unternehmers, den sie auskundschaften soll. Intimität statt zoologischem Blick – darin äußert sich die Qualität dieser Serie.
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