Nachruf auf Pedro Lemebel: Chronist des marginalen Chile
„Träume aus Plüsch“ – zum Tod des legendären Künstlers und Schriftstellers Pedro Lemebel, dem enfant terrible der chilenischen Gesellschaft.
Der chilenische Schriftsteller und Performance-Künstler Pedro Lemebel brüskierte mit spitzen Attacken nicht nur das reaktionäre Establishment, sondern brachte auch die kommunistischen Parteigenossen allein durch seine divenhafte Erscheinung – geschminkt und auf hochhackigen Pumps – aus dem Konzept. Am 23. Januar erlag Lemebel nun seinem Krebsleiden. Mit einer schillernden Trauerfeier verabschiedeten ihn Hunderte Menschen am darauf folgenden Tag in Santiago de Chile.
1952 in einfachen Verhältnissen als Sohn eines Bäckers geboren, studierte er Ende der siebziger Jahre an der Universidad de Chile bildende Kunst. Zwei Jahre unterrichtete er als Kunstlehrer in der Peripherie Santiagos, bis er – wegen seiner Homosexualität – 1982 entlassen wurde. Zu dieser Zeit hatte Lemebel bereits zu schreiben begonnen.
Er schloss Freundschaft mit Diamela Eltit, Nelly Richard und anderen Protagonisten der künstlerischen Avantgarde Chiles. Noch unter der Pinochet-Diktatur gründete er mit dem Poeten Francisco Casa 1987 die Performance-Gruppe „Las Yeguas del Apocalipsis“, die wegen ihrer provokativen, überfallartigen Auftritte bis heute legendär ist.
Tunten und Militante
Seine biografisch geprägten Chroniken über Außenseiter, Tunten und Militante erschienen in Zeitschriften wie dem kommunistischen Punto Final oder der Satire-Zeitschrift The Clinic. Durch Vermittlung seines Freundes Roberto Bolaño veröffentlichte Lemebel seinen Band „Loco Afán. Crónicas de sidario“ mit Chroniken zu Homosexualität und Aids 2000 außerhalb Chiles im spanischen Verlag Anagrama.
Auf Deutsch erschien 2003 sein Roman „Träume aus Plüsch“ im Suhrkamp Verlag. Darin erzählt er von der zarten Romance zwischen einer Tunte und einem jungen Revolutionär der Frente Patriótico Manuel Rodríguez während der Vorbereitungen zu einem Attentat auf Augusto Pinochet 1986.
Zum Abschied zollte die Kulturministerin Claudia Barattini Pedro Lemebel offiziell Anerkennung: „Als Künstler hinterlässt er ein grandioses Vermächtnis, sein Werk, mit allen Bereichen seines Schaffens: als Chronist und Performance-Künstler richtete er den Blick auf ein Chile der Marginalität und der sexuellen Differenz. Mit seiner Kraft und Respektlosigkeit zwang er die Chilenen, auf ein Chile zu schauen, auf das man nicht schaut.“
Hasserfüllte Kommentare
Die hasserfüllten Leserkommentare zu seinem Tod in der chilenischen Tageszeitung La Tercera geben allerdings eine Ahnung davon, wie sehr Lemebel das reaktionäre Chile herauszufordern verstand – sie zeigen aber auch, wie sehr das Land nach wie vor gespalten bleibt.
Bereits im Dezember hatte sich der streitbare Schriftsteller via Facebook von seinen Lesern verabschiedet: „Ich habe nicht geschafft, alles, was ich wollte, zu schreiben, aber ihr könnt euch vorstellen, liebe Leser, welche Dinge fehlten, welche Auswürfe, welche Küsse, welche Lieder ich nicht singen konnte. Der verdammte Krebs hat mir die Stimme geraubt, (auch wenn sie, sagen wir mal, nicht besonders verfeinert war).“
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