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Wehrbeauftragter legt Jahresbericht vorHitlergruß und „Sieg Heil!“-Rufe

Der Wehrbeauftragte Hellmut Könighaus warnt vor der Zunahme rechtsextremer und fremdenfeindlicher Vorfälle. Er fordert mehr Maßnahmen.

Mit mehr Aufklärung im Unterricht sollen die Dienstvergehen reduziert werden. Bild: dpa

BERLIN kna | Der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), hat mehr Maßnahmen gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit in der Bundeswehr gefordert. Im vergangenen Jahr seien 63 Vorfälle dieser Art gemeldet worden, 5 mehr als 2013, gab Königshaus am Dienstag in seinem Jahresbericht 2014 bekannt.

Dokumentiert seien vor allem von Vorkommnisse von Mannschaftsdienstgraden und Unteroffizieren, so der Wehrbeauftragte. Sie hätten diese Dienstvergehen häufig „unüberlegt und ohne Unrechtsbewusstsein“ begangen. Königshaus forderte mehr „Aufklärung durch entsprechenden Unterricht“ der Vorgesetzten.

Bei den Fällen habe es sich um „Propagandadelikte“ gehandelt, erklärte der Wehrbeauftragte weiter. Als Beispiele nannte er die Verbreitung extremistischer Musik, den „Hitler-Gruß“, „Sieg-Heil“-Rufe sowie ausländerfeindliche Äußerungen. Zugleich warnte er davor, die Fälle zu verharmlosen. Er begrüßte es, dass das Fehlverhalten „disziplinar oder mit vorzeitigem Entlassen aus dem Dienst geahndet“ worden sei.

Königshaus bekräftigte auch seine Forderung nach einer familienfreundlicheren Bundeswehr. Er begrüßte entsprechende Pläne von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Die meisten Eingaben an seine Dienststelle beträfen eine mangelhafte Vereinbarkeit von Familie und Dienst sowie fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung, so der Wehrbeauftragte. Zugleich seien viele Soldaten „massiv überlastet“ und müssten ihre Regelarbeitszeiten weit überschreiten.

Beunruhigende Zahl von Suiziden

Die dienstlichen Rahmenbedingungen könnten ein Grund für die „beunruhigende Zahl“ der Suizide von Soldaten seien, betonte Königshaus. Im vergangenen Jahr habe es 24 Selbsttötungen und 43 Suizidversuche gegeben. Zwar weiche die Zahl nicht wesentlich von der durchschnittlichen Suizidrate in der Bevölkerung ab, räumte der Wehrbeauftragte ein. Dennoch sollte sich der Dienstherr „mehr mit dem Einzelfall befassen“.

Mit Blick auf die Betreuung der Soldaten und ihrer Familien dankte er den Militärseelsorgern, die „zurecht eine hohe Wertschätzung“ erführen.

Königshaus sprach sich dafür aus, mehr bedrohte afghanische Hilfskräfte der Bundeswehr aufzunehmen. Deutschland sollte „großzügiger sein“, sagte Königshaus unter Verweis auf die Aufnahme von Flüchtlingen aus anderen Krisenregionen. Nach fünfjähriger Amtszeit übergibt Königshaus die Aufgabe am 20. Mai an den SPD-Politiker Hans-Peter Bartels.

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5 Kommentare

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  • Militär=Militarismus=Faschismus ... Nach Abschaffung/"Aussetzung" der Wehrpflicht sowieso. Den 'Staatsbürger in Uniform" gibt es nicht mehr - es kommt zur vorhergesehen Getthoisierung der Bundeswehr. Jobs für Leute, die sonst keinen bekommen.... die durch mediale und gesellschaftliche Einflüsse eh schon militarisiert und fremdenfeindlich konditioniert wurden ... bestes Kanonenfuttermaterial eben

  • Aspekte zur ideologischen und militärischen Ausrichtung der Bundeswehr:

     

    Unter Historikern ist unbestritten, dass neben NS-BND-Gehlen die ehemaligen NS-Generale Adolf Henninger (1897-1982), Hans Speidel (1897-1984) und Hermann Foertsch (1895-1961) eine führende Rolle bei Entstehung und Aufbau der Bundeswehr spielten.

     

    (So z. B. auch:)

     

    Johann-Adolf Graf von Kielmansegg

     

    Ehemals NS-Oberst im Generalstab des OKH. Als Angehöriger der 1. Panzerdivision und 1c-Offizier (Abwehr) nahm von Kielmansegg an den Vernichtungszügen gegen Polen teil. Er war beteiligt an Massenmorden und Vernichtung polnischer und jüdischer Zivilisten. Vor dem Überfall auf die SU unterzeichnete von Kielmansegg am 23. Juli 1941 einen Befehl, in dem es hieß: "Um der Bevölkerung ein abschreckendes Beispiel zu geben, sind etwa aufgegriffene Partisanenangehörige nicht zu erschießen, sondern sichtbar in der Nähe der Ortschaft aufzuhängen."

     

    In der Bundeswehr begleitete Graf v. Kielmansegg verschiedene Truppenkommandos und wurde Vertreter der Bundesrepublik in NATO-Kommandos. 1966 wurde Kielmansegg Befehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa-Mitte.

     

    NS-Stabsoffiziere der (faschistischen) Wehrmacht fanden über NS-SD-Org.-BRD-BND-Gehlen zur Bundeswehr:

     

    -- Ernst Ferber (NS-Major im Generalstab, NS-Oberstleutnant im OKH) ...

     

    -- Heinz Guderian (NS-Oberstleutnant im Generalstab) ...

     

    -- Josef Moll (NS-Oberst im Generalstab), 1957 Oberst im Bundesministerium für Verteidigung; 1965 Generalmajor, stellvertretender Inspekteur des Heeres, später Inspekteur

     

    -- Paul-Albert Scherer (NS-Hauptmann und Kommandeur eines Panzergrenadier-Bataillons), 1956 Hauptmann im MAD, 1964 Führungsbereich des militärichen Nachrichtendienstes der Bundeswehr, 1967 Oberst der Bundeswehr, 1977 Brigadegeneral und Leiter des Amtes für Sicherheit der Bundeswehr ...

     

    -- Konrad Stephanus (NS-Oberst im Generalstab), 1961 Brigadegeneral und Kommandeur der Schule für Nachrichtenwesen der Bundeswehr in Bad Ems

     

    {...}

    • @Reinhold Schramm:

      Das ist ja nicht verwunderlich, dass im Postkriegsdeutschland auch in der Bundeswehr die ganzen alten Nazis weiter eingesetzt wurden. Wo soll man denn auch aus dem Nichts ne komplette Armee herbekommen? Brauchte man ja gegen den Russen. Sonst wären wir evtl. doch vernünftig entnazifiziert worden, ging aber halt nich (nicht meine Meinung, sondern die Sicht der Zeit).

      Viel interessanter finde ich den Gedanken, dass wir den Salafisten und Konsorten jetzt verbieten, in Terrorcamps zu fliegen (eine sinnvolle Idee prinzipiell), aber den volksdeutschen Nazi-Terroristen (z. B. Uwe Mundlos) bilden wir staatlich aus, inkl. Kost, Logis und Sold.

      Man könnte ja mal genauer kucken, wen man sich da als Soldat aussucht, mittlerweile muss man ja zum Glück nicht mehr alle nehmen.

  • Nein, der Bericht sagt nicht, dass die Zahl der Suizide von der "durchschnittlichen Suizidrate in der Bevölkerung" abweiche, sondern dass sie "unter der Suizidrate des MÄNNLICHEN Anteils der deutschen Bevölkerung liege." Der Grund dafür: In "den vergangenen Jahren sowie im Berichtszeitraum haben sich ausschließlich Männer in der Bundeswehr das Leben genommen."

    Allerdings werden "etwa 35 Prozent aller Suizide in Deutschland von Menschen über 65 Jahre verübt." Der Berichtet deutet also an, dass die Suizide von Soldaten vielleicht doch signifikant häufig sind, denn in jüngeren Altersgruppen ist die Rate allgemein viel niedriger. Man weiß es nicht, und die Kategorie männliches Geschlecht verschwindet flugs wieder aus dem Nachdenken und aus der Sprache - so wie hier in der taz.

  • Noch in guter Erinnerung.

     

    Mein studentischer Kommilitone, an der Werkkunstschule in Wiesbaden (Hessen), ein vormaliger mehrjähriger Berufssoldat, vom Kunstlehrer angesprochen, -- auf die ideolgische und militärische Ausrichtung und das Feindbild der Bundeswehr --, entgegnete: 'Gegen den Osten' (gegen die [historische] Sewjetunion).

     

    Während der Wartezeit, in der Bahnhofskneipe Marburg (Lahn, Hessen), mehrere alkoholisierte junge Männer. Schließlich sprang ein Bundeswehrangehöriger auf und reckte seinen rechten Arm zum (faschistischen) Hitler-SS-Gruß.

     

    Frage: Märchenstunde oder ein Teil der bundesdeutschen Realität, auch noch heute?