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Kommentar ProstitutionsgesetzSexarbeit unter Kontrolle

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Bezahlter Sex soll reguliert werden. Doch die neuen Regeln setzen auf Zwang, statt auf Eigenverantwortung. Andere Lösungen wären denkbar gewesen.

Hinter verschlossenen Vorhängen. Bild: photocase/steffne

M indestens so schwierig wie eine Papstwahl gestaltete sich das Vorhaben, die Prostitution zu regulieren. Zu viele Ziele sollten verwirklicht werden – zwangsläufig mussten einige im Orkus verschwinden. Das geplante Gesetz nahm rasch Containerumfang an: Verhinderung von Zwangsprostitution, Schutz der Prostituierten, Schutz der BürgerInnen, die ihr anständiges Leben durch Großbordelle, Flatrates und Gangbang bedrängt sehen, Schutz auch der Politik vor dem Anschein von Sodom und Gomorrha, den die Medien vergnügt verbreiten: „Deutschland ist das Bordell Europas“, so das geflügelte Wort dafür.

Das Ergebnis der Einigung entstand im Konklave der Koalition, und zwar einer Koalition mit der Union. Für die war Beratung von außen weitgehend unerwünscht. So sieht auch das Ergebnis aus: Alle Prostituierten sollen gezählt und gemeldet und regelmäßig ärztlich zwangsberaten werden. Man hat sich also für Kontrolle und gegen Eigenverantwortung entschieden. Das ist in einigen Fällen positiv, etwa wenn Bordellbetreibern auf die Finger geschaut wird. Auch ist denkbar, dass Opfer von Menschenhandel bei ihrer Anmeldung und der Gesundheitsberatung wenigstens Informationen über Beratungsstellen erhalten.

Aber die Einwände der Fachleute wurden weitgehend ignoriert. Etwa der, dass freiwillige Gesundheitsangebote besser angenommen werden als Zwangsberatungen. Oder dass Menschenhändler kein Problem damit haben, ihre Opfer anzumelden, solange diese den Mund halten. Oder dass Prostituierte leichter kriminalisiert werden, wenn sie etwa einen Arzttermin versäumen.

Es wird deutlich, dass der Staat nicht mit Prostituierten über ihren Schutz verhandeln, sondern schlicht der Bevölkerung verklickern wollte: Wir tun was, wir haben alles unter Kontrolle. Es wären andere Lösungen denkbar gewesen, die weniger nach Obrigkeit gerochen hätten: Man hätte eine Kammer schaffen können, bei der sich Prostituierte anmelden, eine Kammer, die sie selbst verwaltet, wie es bei Ärztekammern üblich ist.

Der weiße Rauch aus dem Kabinett zeugt von einem Vorhaben, das in einer Art Sixtinischen Kapelle entstanden ist. Weitgehend abgeriegelt vom Leben außerhalb.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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19 Kommentare

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  • Viele Menschen in gesundheitlich relevanten Berufszweigen muessen sich Tests unterziehen. Was ist daran schlecht? Das Auto geht auch zum TUEV ........

  • Was für eine verklemmte Gesellschaft, deren Prüderie mit staatlichem Kontrollzwang Andersdenkender und Anderslebender befriedigt werden muß. Warum keine ärztlichen Zwangskontrollen für Verheiratete und Eltern? Tragen die keine gesundheitliche Verantwortung gegenüber Partnern und Kindern?

     

    Man kommt sich vor wie im Bible Belt, USA, 1952. Nur die Familie und der klerikal genehmigte, eheliche Fortpflanzungsakt sind über alle Zweifel erhaben.

    • @Dudel Karl:

      Verheiratete haben keine 500-1000 Sexpartner pro Jahr.

    • @Dudel Karl:

      und da war's schon schwer zu ertragen, dass man den nicht erzwingen darf, den ehelichen Fortpflanzungsakt. Vergewaltigung in der Ehe gibts immerhin erst seit 1997.

  • Die Regelungen bringen Fortschritte in Nanogrammen - immerhin kommt das Wort "Würde" im Zusammenhang mit "unwürdigen Geschäftspraktiken" vor - minimale Erkenntnis, dass nicht alles, was Profiteuren Geld bringt unter einen neoliberalen, individualistischen Begriff von "Würde" gefasst werden kann. Und als Placebo wird das Wort "Freierbestrafung" bei Kondomen hingeworfen, als sei dies das erste Ziel derer, die Prostitution kritisieren. Aber ein winziger Blick auf die Sexkäufer ist dabei, und das ist besser als lobhudelnde Werbekampagnen an Freier, die nur die Frau als Quelle von Krankheit zulassen. Sonst?

    Eine Gesundheitsberatung (besser als verpflichtende Untersuchung), doch durch wen? Irgendwelche ÄrztInnen, keine PsychologInnen, keine Leute mit spezifischer Ausbildung – also können die Ärzte, die jetzt schon in den Bordellen die dortigen (angeblichen) Gesundheitsschecks durchführen und dort die Medikamente (gegen Geschlechtskrankheiten und gegen Depressionen) beschaffen, das dann in Zusammenarbeit mit den Betreibenden erledigen.

    Bei Nichteinhaltung – vermutlich wird es hier Strafen für Betreibende geben, aber auf der Straße, als „Escort“ erfolgt wie immer der Zugriff auf die Frauen (Männer) in der Prostitution, ihre Benutzer gehen frei aus.

    Für AbolitionistInnen wie für die Lobbyistinnen des BesD ein bitteres und uraltes Lehrstück, wird uns doch mal wieder vorgeführt, was eine Frau, eine Hure, eine Feministin wert ist, wieviel auf ihre Ziele etc. eingegangen wird, wenn daneben Männer des big business stehen.

    Duh.

  • Das hier ist tatsächlich hauptsächlich Fassade.

    Die Regelungen führen die Politik des 19. und vieler Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts fort. Prostitution wird geduldet, "reguliert" - und die Nichteinhaltung trifft die Frauen (oder Männer) in der Prostitution, kaum die Profiteure und gar nicht die Benutzer dieser Frauen.

    Ein gesamtgesellschaftlicher Blick auf Männer und Frauen und ihre Chancen wird gründlichst vermieden, hier setzte sich die Prostitutionslobby durch.

    Beim schwedischen Modell übrigens gibt es weder Registrierung, noch Anmeldung, noch Sperrbezirke - gerade die unabhängige, selbstbestimmte Frau in der Prostitution von der hier immer jubelnd die Rede ist, hat dort Freiheiten – und eine gestärkte Position gegenüber den Freiern. Aber in Deutschland schützen wir eben Freier, Bordelle, und Ausbeutung. Nichts ist so heilig wie ein Geschäftsmodell, das gut läuft, und wenn es Frauen an ihren Platz in der Gesellschaft verweist, gilt das als ein Bonus, der unbedingt erhalten bleiben muss. Und die taz macht mit.

  • Die eingeforderte "Eigenverantwortung" haben wir in Deutschland seit über 14 Jahren. Und das war die Realität: "Sexarbeit außer Kontrolle". Insgesamt finde ich es auch äußerst fragwürdig, wenn die allgegenwärtigen Ausbeutung und der Zwang, den Zehntausende südosteuropäische Frauen unterliegen, als "Sexarbeit" bezeichnet wird.

  • "Weitgehend abgeriegelt vom Leben außerhalb."

    Das ist das grundsätzliche Problem von Leuten wie Schwesig. Wer kontrolliert wie die Kondompflicht, z.B.? Und die Gauner und Schlepper, werden die jetzt auf einmal anständig, nur weil es zwanzig Stempel mehr bräuchte?

     

    Letztens kam mal, dass pro Minusgrad so und soviele mehr arbeitslos werden. Dürfte kein Problem für Nahles und Schwesig sein: Einfach Temperaturen unter Null verbieten. Pemg, schon hat sich's. Dass da noch keiner drauf gekommen ist. Genau das ist deren Problemlösungsfähigkeit, sieht man hier exakt wieder.

  • Is doch total Sinnfrei so ein Gesetz. Das ist eine geschäftliche Abmachung zwischen zwei Menschen die eh niemand kontrollieren kann. Genau wie in Großbritannien wo sie der Porno Industrie irgendwelche Stellungen vorschreiben wollen. Was soll das, is einfach peinlich.

  • Vor allem muss das Ansehen von Sexarbeiter_innen in der Gesellschaft verbessert werden!

     

    Wenn Sexarbeit normal wäre, würden sich mehr Sexarbeiter_innen öffentlich äußern, und für ihre Rechte kämpfen. Diskussionen über Sexarbeit könnten dann viel sachlicher geführt werden, und vor allem mit Beteiligung der Sexarbeiter_innen.

     

    Natürlich müsste sich die Gesellschaft damit abfinden, dass dann kleine Mädchen statt Fotomodell, Sexarbeiterin werden wollten. Sexarbeiter_innen würden auch in schlechten Fernsehsendungen auftreten, und dort z.B. Penisse lutschen.

     

    Die Taz könnte dazu Beitragen, das Ansehen von Sexarbeiter_innen zu verbessern. Sie könnte einer Sexarbeiterin eine regelmäßige Kolumne geben!

    • @Eike:

      Also, ich habe da evtl. nicht so die genauen Erfahrungen wie Sie, was Prostituierte anbelangt, aber afair haben das niedrigste Ansehen in der Gesellschaft Banker und Politiker nach den letzten Erhebungen.

       

      Und auch da würde ich mich fragen, wieso der Auftritt von Bankern in schlechten Fernsehsendungen das Ansehen heben würde. Politiker machen das seit eh und je und deren Ansehen steigt offenbar dadurch auch nicht.

      Das müssten Sie mal erläutern, inwiefern sowas das Ansehen heben kann.

      • @Age Krüger:

        jo

      • @Age Krüger:

        Ich denke, du verschätzt dich sehr stark mit deiner Einschätzung zum Ansehen von Sexarbeiterinnen! Mach ein Gedankenexperiment; stell dir eine Elternpflegschaftssitzung einer Grundschulklasse vor:

         

        Eine Mutter sagt: "Ich bin Investmentbankerin, und ich spekuliere mit Lebensmitteln." Die Hälfte der Eltern findet diese Tätigkeit schlecht, und die andere Hälfte denkt: "Die Frau hat es zu etwas gebracht! Unser Kind soll mit ihrem Kind spielen, dann bekommt es Verbindungen in die Oberschicht."

         

        Wenn hingegen ein Mutter sagt: "Ich bin Sexarbeiterin, und habe mich auf Gangbang-Parties spezialisiert; da ist nämlich die Kundenzufriedenheit höher." Dann denkt die eine Hälfte der Eltern darüber nach, ihr Kind aus der Klasse zu nehmen. Die andere Hälfte der Eltern denkt: "Die arme Frau! Wir sollten ihr helfen aus dieser schlimmen Lage herauszukommen."

        • @Eike:

          Keine Ahnung.

           

          Gibt es noch Grundschulklassen, in denen die Mehrheit der Eltern so gut deutsch können, dass sie wissen, was eine Sexarbeiterin und eine Investmentbankerin ist?

           

          Außerdem beantwortet das noch nicht die Frage, wie man durch miese Fernsehsendungen das Ansehen stärken kann.

    • @Eike:

      "Sexarbeiter_innen würden auch in schlechten Fernsehsendungen auftreten, und dort z.B. Penisse lutschen."

       

      Wie kommen Sie darauf? Viele andere "ekelige" Tätigkeiten, mit denen Menschen ihr Brot verdienen, z.b. das Reinigen von (durch menschliche Fäkalien verdreckte) Toiletten, werden doch auch nicht im Detail im Fernsehen abgebildet.

      • @Malte Kuller:

        In den Dschungel-Lagern für Prominente werden viele ekelige Tätigkeiten gezeigt. Auch in den diversen Sendungen bei denen einfache Leute bloßgestellt und lächerlich gemacht werden, gibt es ekelige Momente.

         

        Außerdem ist das Lutschen von Penissen ja nicht speziell ekelig. Es zu zeigen, wäre eben eine Strategie des (Privat-) Fernsehens die Öffentlichkeit zu trollen, und kontrovers zu wirken.

        • @Eike:

          eklig ist das Adjektiv...

  • Auch solches Vorgehen zeugt davon, daß ein Hineinversetzen in andere (Empathie) komplett verloren gegangen ist und daß Grundwerte sozialer Charaktereigenschaften durch plumpen Dogmatismus ausgetauscht wurden (auch Gesetze sind letzlich nur Dogmen, also neue Strukturen, die über Generationen hinweg vernunftfrei bleiben, selbst wenn sie zufällig einen vernünftigen Zweck erfüllen). Die Fokussierung auf Sexdienste ist müßig, denn es betrifft den Gesetzesberg insgesamt.

  • Erst lauscht die Union in den Wohnzimmer von Ausländern, welche Sprache sie reden; dann führt sie ein unkontrollierbares Gesetz über Gedankenverbrechen von möglichen Islamisten, die irgendwo hinreisen wollen, ein und am Ende sitzen die verdeckten Ermittler bei den Nutten unterm Bett und checken die Verwendung von Gummidingern...... Sorry.... was hier abläuft ist keine Gesetzgebung mehr; das ist nur noch purer Populismus. Wenn auch so manches geregelt werden muss.... Professionalität sieht anders aus.