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Kommentar Ticket-MonopolLimitiert, nur für kurze Zeit erhältlich

Julian Weber
Kommentar von Julian Weber

Künstliche Engpässe und Zusatzgebühren treiben die Preise von Konzerttickets nach oben. Niemand schaut den Ticket-Monopolisten auf die Finger.

Selbst zur Generalprobe geht es nicht ohne den Monopolisten. Bild: imago/suedraumfoto

A ls die britische Punkband Wire zum ersten Mal in Westdeutschland auftrat, im November 1978, waren die Tickets bei ihrem Konzert im Düsseldorfer „Ratinger Hof“ mit einem Stempel bedruckte Bierdeckel. Der Eintrittspreis betrug einheitlich 7 DM, Vorverkauf gab es keinen, aber all jene, die die Band sehen wollten, kamen auch ins Konzert.

Das erzählen die Punks von einst heute ihren Enkeln, den Musikfans, die im Internetzeitalter aufwachsen, wo jeder Untergrundhype minutiös viral geplant ist. Auch wer das Konzert seiner Lieblingskünstler miterleben will, muss lange im Voraus tätig werden, um Tickets zu ergattern, sonst droht Gefahr, dass das Konzert ausverkauft ist.

So wird es uns im Zeitalter künstlicher Verknappung pausenlos suggeriert. Limitierte Tickets, nur für kurze Zeit erhältlich. Das Prinzip der Abendkasse ist praktisch außer Kraft gesetzt. So war auch die Deutschlandtour für den US-Soulsänger D’Angelo im Voraus ausverkauft. Die Konzerttickets für D’Angelo kosten zwischen 50 und 60 Euro. Das ist noch vergleichsweise moderat.

Neben den Eintrittspreisen, die auch deswegen teuer sind, weil die Künstler vom Tonträgerverkauf allein nicht mehr leben können, sieht man sich in diesem Vorgang mit einer Reihe von Zusatzgebühren konfrontiert: Vorverkaufsgebühr, Buchungsabgabe, selbst der Ausdruck des Tickets am Drucker kostet extra, zum Teil werden auch noch Kreditkartengebühren berechnet. Wer diktiert diese Preise?

In Deutschland kontrolliert den Onlineticketverkauf der Veranstaltungsmulti Eventim. In allen Großstädten arbeitet er mit lokalen Veranstaltern und Auftrittsorten zusammen, und er hat sich zahlreiche Tochterunternehmen (wie Touragenturen und Hallen) einverleibt.

Man fühlt sich bei Eventim an die unangenehmsten Auswüchse von Geschäftemacherei erinnert; bisher gibt es niemanden, der diesem Monopolisten etwas entgegensetzt oder sein Geschäftsgebaren genauer unter die Lupe nimmt. Vorbild für Eventim ist die US-amerikanische Firma Livenation, die im angloamerikanischen Raum Festivals und Tourneen organisiert, Ticketverkäufe abwickelt und längst auch Immobilien der Unterhaltungsgastronomie besitzt.

Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, Preisabsprachen bei Ticketing und Wettbewerbsverzerrung durch Zusatzgebühren zu unterbinden. Auch im Internetzeitalter müssen Menschen, die sich entscheiden, spontan zu einem Konzert zu gehen, die Möglichkeit haben, an der Abendkasse rechtmäßig Karten zu erwerben.

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Julian Weber
Kulturredakteur
Julian Weber, geboren 1967 in Schweinfurt/Bayern, hat Amerikanische Kulturgeschichte, Amerikanische Literaturwissenschaft und Soziologie in München studiert und arbeitet nach Stationen in Zürich und Hamburg seit 2009 als Musikredakteur im Kulturressort der taz
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6 Kommentare

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  • Das angekündigte und schließlich doch abgesagte Prince-Konzert im letzten Jahr sagt viel über die Monopolstellung von Eventim aus: http://www.ticcats.de/blog/entry/ticcats-blog-prince-in-berlin-chronologie-eines-ticketvorverkaufs

  • Es gibt genug Konzerte in kleinen Veranstaltungsorten - und in soziokulturellen Zentren. Warum will ein Grossteil des Publikums immer nur zu "grossen Namen"? Oder schaut sich nur auf der Seite der Kartenverkäufer um?

    Wir in einem Kulturzentrum verkaufen die Karten selbst im Vorverkauf. Günstiger als an der Abendkasse. Und verlangen bei selbstgedruckten Karten lediglich einen Aufpreis von 1 EUR pro Auftrag für die Abwicklung.

  • Und wer heute zu einem Konzert von SLIME, Terrorgruppe oder anderen Punkbands will, der muss sich das Ticket (ca. 20 Euro) auch vorher im Internet bei Eventim besorgen. Die kleinen Konzerte mit Stempel auf den Handrücken für einen 5er finden gefühlt gar nicht mehr statt.

    • 9G
      970 (Profil gelöscht)
      @arribert:

      Hutgage gibt's schon noch. Aber viel perverser ist es, was man als Musiker in Berlin mittlerweile erleben kann: Auftritt gegen Bezahlung. Also, der Musiker geht in Vorleistung. Falls keiner kommt, ist er verantwortlich dafür, dass der Wirt weniger Getränke verkaufen konnte. Das ist pervers, findet aber zunehmend statt. Wer ist so blöde, da mitzumachen?

    • @arribert:

      ich finde schon, ich gehe jedenfalls schon auch zu kleineren Konzerten in kleinen Clubs/Bars, natürlich sind das nicht immer ganz bekannte Gruppen, aber dafür billig (meist 5-15 €), spontan und authentisch. (naja ich mag das Wort nicht, aber mir fällt grade nichts besseres ein) Schauen sie sich doch einfach mal in ihrer Stadt um, vlt gibt es ja bei ihnen auch so etwas. Jedenfalls gibt es in meiner Stadt, ja selbst im allseits verhassten Dresden, eigentlich jedes Wochenende bestimmt 5 Möglichkeiten so etwas zu erleben, zugegeben nicht alles Punkbands.

    • @arribert:

      Kommt das nicht eher auf die Region an? In kleineren Städten ist sowas schon noch anzutreffen.