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Kolumne LiebeserklärungOlympia ist eine Affäre

Jürn Kruse
Kommentar von Jürn Kruse

Die Menschen wollen die Spiele in Deutschland – aber nicht im eigenen Vorgarten. Lieber eine ICE-Fahrt entfernt. Liebe ist leider nie bedingungslos.

Olympia Hamburg hat auch in Berlin einige Anhänger Bild: dpa

A lfons Hörmann war überwältigt von den Ergebnissen seiner Umfrage. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) benutzte gar das Wort „Traum“, als er am Montag die Resultate präsentierte: 81 Prozent der Bürgerinnen und Bürger Berlins und gar 82 Prozent der HamburgerInnen wollen Olympische Spiele in Deutschland. In Deutschland – dieser Zusatz ist sehr wichtig.

Denn auf die Frage, ob die Hamburger auch Spiele in Hamburg und die Berliner Spiele in Berlin begrüßen würden, sinkt die Zustimmung rapide. In der Hansestadt um 18 Prozentpunkte auf 64 Prozent, in der Hauptstadt gar um 26 Punkte auf 55 Prozent. Deutschland will die Spiele – aber nicht im eigenen Vorgarten.

Die olympischen Momente, die ins Gedächtnis krabbeln und da partout nicht mehr herauswollen, können halt auch aus der Ferne ganz gut betrachtet werden: Wie beispielsweise der US-Amerikaner T. J. Oshie im vergangenen Jahr in Sotschi im Penaltyschießen immer und immer wieder gegen den russischen Torwart Sergej Bobrowski antrat und traf und traf und traf und traf. Vier Tore. Die USA siegten. Großer Sport. Und wer war schon live dabei, als Usain Bolt 2008 in Peking beim 100-Meter-Finale schon weit vor dem Ziel die Arme ausbreitete, jubelte, um dann trotz offenen Schnürsenkels einen neuen Weltrekord zu laufen?

Olympia kann so großartig sein – wenn es nicht direkt um die Ecke stattfindet. Wer hat schon gern das Internationale Olympische Komitee für mehrere Jahre zum Nachbarn? Die sind laut und riechen streng. Lieber sollen die ein paar Stunden entfernt sein, eine ICE-Fahrt, das fänden die Menschen in Deutschland optimal.

Der DOSB hat die Hamburger und Berliner gefragt, ob sie Olympia heiraten wollten. Sie haben Nö gesagt, aber eine Affäre mit den Spielen könnten sie sich schon vorstellen.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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