Kommentar Olympia-Bewerbung: Verlieren ist das neue Gewinnen
Nicht die Städte sollten sich beim IOC, sondern das IOC bei den Städten bewerben. Das wäre fair. Bis dahin werden aber noch Millionen verschwendet.
U nd der Verlierer ist: Hamburg oder Berlin. Montag Abend entscheidet der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), welche der beiden Großstädte als Bewerber für Olympia 2024 ins Rennen gehen und Millionen in den Sand setzen muss.
Dabei wäre gegen ein bisschen imagefördernden Luxus – nichts anderes sind die Spiele – prinzipiell nichts einzuwenden. Wenn man einen feschen Anzug oder ein schickes Kleid kauft, um gut auszusehen, legt man dafür auch einen Batzen Geld auf den Tisch.
Aber niemand würde das Designertextil kaufen, ohne zu wissen, wie viel es tatsächlich kostet. Es sei denn, man ist so reich wie der Scheich oder man muss nicht selbst dafür zahlen – sondern der Steuerzahler. Das aber wird verlangt, wenn sich eine Stadt mit der Olympiafahne schmücken will.
Kein Wunder, dass in demokratischen Staaten immer öfter die Bevölkerung „Nein“ zu Olympia sagt. München, St. Moritz und Krakau mussten nach Volksabstimmungen ihre Bewerbung für die Winterspiele 2022 zurückziehen. Im Rennen sind nur noch Almaty in Kasachstan und Chinas Hauptstadt Peking, mithin Länder, in denen Demokratie ein Fremdwort ist.
Doppelt falsch
Befürworter einer deutschen Bewerbung argumentieren gern, man müsse schon deshalb ins Rennen gehen, damit die Spiele nicht nur Diktaturen überlassen werden – und dafür zur Not auch mal fünfe gerade sein lassen. Das ist gleich doppelt falsch.
Zum einen ist ein Basis-Nein zu Olympia kein Manko der Demokratie, sondern ein Problem für das IOC. Einen wirklichen Wandel würde es erst geben, wenn die Olympiaherren gezwungen wären, sich aus Imagegründen bei westlichen Städten zu bewerben – und nicht umgekehrt. Das aber kann dauern. Zumal sich für die Sommerspiele 2024 nur westliche Städte bewerben. Das immerhin ist ein Glück für Hamburg und Berlin. Denn der finale Verlierer der Bewerbungsprozedur für die Spiele 2024 wird aller Wahrscheinlichkeit nach Boston heißen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?