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Big BrotherEin Ohr für den Norden

Datenschützer warnen vor neuem Abhörzentrum der Küstenländer: Unklar sei, wie Polizeibeamte dort überwachen sollen – und wer sie kontrolliert.

Antennen, noch ohne polizeilichen Auftrag gebündelt. Bild: dpa

HANNOVER taz | Das geplante Abhörzentrum aller fünf norddeutschen Bundesländer weckt massive Bedenken bei Datenschützern und Oppositionspolitikern. „Es geht um hochsensibele Telekommunikationsdaten“, warnte Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert gegenüber der taz.

Trotzdem sei bis heute unklar, wer genau künftig welche Informationen erheben darf und wie diese verschlüsselt werden sollen, sagt Weichert, der die Schaffung der Lauschzentrale federführend für die Datenschutzbehörden der Bundesländer Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern beobachtet.

Gebündelte Fähigkeiten

Anfang der Woche war bekannt geworden, dass das „Rechen- und Dienstleistungszentrum Telekommunikationsüberwachung Nord“ in Hannover angesiedelt werden soll. Angedockt an das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen soll es dort voraussichtlich 2020 seine Arbeit aufnehmen.

Lauschangriff der Polizei

Die Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) ist ein Grundrechtseingriff - angeordnet werden darf sie deshalb nur bei Verdacht auf relativ schwere Straftaten, etwa bei Tötungsdelikten.

Trotzdem kommt der Lauschangriff regelmäßig auch beim Verdacht organisierter Kriminalität, etwa bei Drogendelikten oder Geldwäsche zum Einsatz. Allein 2013 wurden Verdächtige aus mehr als 5.000 Verfahren mehr als 20.000 Mal abgehört.

Bisher geschah dies durch Polizeibehörden der einzelnen Bundesländer. Sollte das "Rechen- und Dienstleistungszentrum" seine Arbeit aufnehmen, könnte künftig Niedersachsens Polizei in einer Art Amtshilfe ganz Norddeutschland überwachen.

Die Innenminister der norddeutschen Bundesländer setzen dabei offenbar auf eine Bündelung der technischen Fähigkeiten – möglich wäre damit nicht nur eine noch umfassendere Überwachung, sondern auch Kosteneinsparungen.

Geplant, dass „die Angehörigen des Rechen- und Dienstleistungszentrums den Ermittlerinnen und Ermittlern der Polizeibehörden der Länder für eine entsprechende Beratung zur Verfügung stehen“, bestätigte ein Sprecher des niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) der taz. Eine Kostenobergrenze für das Abhörzentrum solle in einem Staatsvertrag festgeschrieben werden. Wann dieser unterzeichnet werde, stehe aber noch nicht fest.

Verhandlungen im stillen Kämmerlein

Oppositionspolitiker können bis dahin nur erahnen, in welchem Umfang sich das Lauschzentrum zu einem neuen Big Brother entwickeln könnte. „die Verhandlungen zwischen des fünf Landesregierungen laufen im stillen Kämmerlein ab“, sagt nicht nur Patrick Breyer, rechtspolitischer Sprecher der Piraten im schleswig-holsteinischen Landtag. Zwar verhandelten die Innenminister schon seit 2010 über das Abhörzentrum – eine Mitarbeit der Parlamente oder eine Beteiligung der Öffentlichkeit sei aber nicht vorgesehen.

Massive Kritik kommt auch von der Linkspartei. Unklar sei, wer künftig die Spitzel der Polizei kontrollieren solle, warnt Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linken in der Hamburger Bürgerschaft. Zwar sei bei Telekommunikationsüberwachungen (TKÜ) schon heute ein richterlicher Beschluss vorgeschrieben. „Doch der wird von den Polizeibeamten oft vergessen“, sagt Schneider. „Das Argument lautet dann, es sei Gefahr im Verzug.“ Sollten alle TKÜ-Maßnahmen aus ganz Norddeutschland künftig in Hannover gebündelt werden, „blickt überhaupt kein Richter mehr durch“, fürchtet die Hamburger Parlamentarierin.

Die totale Überwachung

Ähnlich argumentiert auch ihr niedersächsischer Parteifreund Herbert Behrens. „Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, was genau in diesem neuen Überwachungszentrum passieren soll, wie die Organisationsstrukturen aussehen“, fordert der linke Bundestagsabgeordnete aus Osterholz-Scharmbeck – schließlich planten auch die Bundesländern Berlin, Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen ein ähnliches gemeinsame Überwachungsbehörde.

„Allein in Berlin wurden mittlerweile mehr als 200.000 stille SMS verschickt, um Handynutzer zu orten“, warnt Behrens, der Sprecher für digitale Infrastruktur der Linkspartei ist. „Auf Norddeutschland übertragen wäre das die totale Überwachung.“

Zur Kontrolle der Überwacher nötig seien deshalb genaue Vorschriften zur „personellen, organisatorischen und räumlichen Trennung“ des Abhörzentrums vom Tagesbetrieb des niedersächsischen Landeskriminalamts, fordert deshalb der Datenschutzbeauftragte Weichert. Ein niedersächsischer Datenschützer erklärt warum: „Im Prinzip kann man sich auf jede Leitung aufschalten.“

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