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Journalismus in Online-NetzwerkenRettet uns Facebook?

Das Social Network will Inhalte, die Verlage wollen Werbegeld. Womöglich keine schlechte Allianz – Verlage bekommen die Finanzierung ja nicht hin.

Redaktionelle Inhalte exklusiv auf Facebook? Vielleicht sogar ein „Gefällt mir“ wert. Bild: dpa

Von einer nicht ganz unerwarteten Seite kommt ein Lösungsangebot für die sinkenden Umsätze der Zeitungsverlage: Unter anderem die New York Times, Buzzfeed und National Geographic befinden sich derzeit in Verhandlungen über die exklusive Veröffentlichung ihrer Inhalte direkt auf Facebook. Das soziale Netzwerk soll im Gegenzug eine Beteiligung an dort generierten Werbeeinnahmen angeboten haben.

Der Vorteil des Geschäfts liegt auf der Hand. Während die Finanzierung der Inhalte auf den Webseiten der Medienunternehmen auf wackligen Füßen steht – decken die Werbeeinnahmen dort und die Finanzierung durch die LeserInnen doch kaum die Kosten –, hat Facebook Zugriff auf einen entwickelten Werbemarkt mit potenziell 1,4 Milliarden Kunden.

Doch was geben die Verlage im Gegenzug auf? Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur für digitale Produkte bei der FAZ, gibt in einem Beitrag auf faz.net zu bedenken, dass die algorithmische Sortierung in der Facebook-Timeline das Grundprinzip redaktioneller Arbeit breche: die Präsentation einer von Profis mit bedacht getroffenen Auswahl und Einordnung relevanter Nachrichten. Was auf Facebook fehle, sei laut Müller von Blumencron der „mediale Heimatort“, der dem Leser „Glaubwürdigkeit verspricht, Verlässlichkeit, Orientierung“.

Was aber soll daran so verwerflich sein, dass es diesen „Heimatort“ auf Facebook nicht gibt? Das soziale Netzwerk ist ein glänzendes Unterhaltungsmedium und wird als solches benutzt. Wer an der harten Nachrichtenlage interessiert ist, sucht sich eben andere Zugänge. MedienkonsumentInnen können schließlich auch zwischen dem ARD-Boulevardmagazin „Brisant“ und der „Tagesschau“ unterscheiden. Beide finden ihr Publikum. Beide werden von den Rundfunkbeiträgen bezahlt.

Onlinewerbung zieht nicht

Den Luxus der Gebührenfinanzierung haben die Zeitungsverlage natürlich nicht, ein anderes tragfähiges Geschäftsmodell aber fehlt. Die gedruckten Medien verlieren seit Jahrzehnten Käufer und Werbekunden. Der übergroße Teil der Werbeindustrie ist übrigens zum Fernsehen abgewandert, Onlinewerbung macht noch immer einen verschwindend geringen Teil des Marktes aus.

Wenn nun eine Plattform wie Facebook, die ohnehin zum Eigenmarketing der Verlage benutzt wird, unter bestimmten Bedingungen bereit ist, Teile ihrer Einnahmen weiterzureichen – warum nicht? Den Verlagen selber will die Monetarisierung ihrer Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Orientierung im Netz ja seit 20 Jahren nicht gelingen.

Wie schon die Musik- und Filmindustrie haben die Zeitungsverlage mit ihrem Beharren auf längst überholten Geschäftsmodellen das Entstehen von anderen Quasimonopolen auf den digitalen Vertriebswegen überhaupt erst ermöglicht. Jetzt kommt die Rechnung – und dass am Ende ein paar Brotsamen für die Inhalteproduzenten abfallen mögen, ist zu begrüßen.

Die größte Sorge sollte eher sein, dass Facebook nach einer Testphase feststellen könnte, dass sich die Zusammenarbeit mit den Verlagen für den Konzern nicht lohnt und er das Programm einfach einstellt. Dann sitzt der Journalismus wieder auf seiner ganzen Qualität und Tradition, ohne zu wissen, wie er damit Geld verdienen kann. Ihren „medialen Heimatort“ können die Medien so oder so weiter bereithalten, egal ob der nun faz.net, taz.de oder tagesschau.de heißt.

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7 Kommentare

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  • Die Veröffentlichung journalistischer Inhalte direkt über Facebook ist ein weiterer Schritt des Konzern auf dem Weg das offene Internet zu verschlucken. Aus einem schon prinzipiell pluralistischen, offenen Medium wird so ein kommerzielles, proprietäres Firmenprojekt. Das kann abgesehen von den Aktionären der Firma niemand wollen.

     

    Für die Verlage, dies es bisher nicht schaffen, ihre Inhalte durch die Onlineangebote zu monetarisieren, scheint das Angebot von Facebook zu diesem Zeitpunkt aber verständlicherweise die Lösung eines langewährenden Problemes zu sein. Letztlich helfen Sie hiermit aber mit, sich ihrer Existenzgrundlage zu berauben:

    Sind die Nutzer es einmal gewohnt, ihre Nachrichten von Facebook zu erhalten, verschwindet die Bedeutung der Medien und der Journalisten, die diese Inhalte liefern. Sie werden austauschbar, wertlos – und werden von Facebook entsprechend behandelt werden. Abgesehen von allen berechtigten moralischen Bedenken gegenüber dem Konzern, kann das Begeben in die Abhängigkeit des übermachtigen Konkurrenten also auch kein nachhaltiges, funktionierendes Geschäftsmodell für die Verlage liegen.

     

    Klar ist: der Weg zum funktionierenden Geschäft bei journalistischer Unabhängigkeit in Zeiten des Onlinejournalismus gleicht der Quadratur des Kreises. Sich in die offenen Arme von Mark Zuckerberg aber ist der erste Spatenstich am eigenen Grab.

  • Es werden doch Druckkosten eingespart und sogar da Presserecht kann gut unterlaufen werden, die Bindung de Leser isar wesentlich besser.

    Stat nun die gesparten Druckkosten in besser Journalistenbezahlung und mehr Journalisten z stecken, wird sogar versucht, Journalisten zu entlassen, reihenweise seit Jahren, worunter sich fast immer ien reiner Kapilttalkonzemtrationsprozes verbirgt. Getreu Marx Analyse schafft es da kapiltal, aus "Segen" des technich wissenschaftluchrn Fortschruts doch noch irgerndwuze "Fluch" zu macnhbren.

  • Zeitungen bei Facebook? Nicht für mich!

    Facebook und Co. werde ich nicht nutzen.

    Auch wird Facebook nur wenige Zeitungen als Partner brauchen, für alle anderen verschärft sich der Überlebenskampf nur. Wer glaubt mit dem Teufel aus dem selben Topf essen zu können, der wird feststellen, das sein Löffel zu kurz ist.

  • Was machen die Zeitungsverlage, wenn Facebook selbst Journalisten einstellt - so wie Amazon zum Buchhändler wurde?

     

    Wenn Zeitungen bei Facebook veröffentlichen - auch noch exklusiv - machen sie sich von einem natürlichen Konkurrenten abhängig.

     

    Sobald die Zeitungen alle Leute verloren haben, die bisher noch auf deren eigene Webseiten gehen, rechnet sich das Geschäft für Facebook nicht mehr.

     

    Ich habe den Beitrag hier übrigens gefunden, weil ich über Twitter einen Artikel hier gesehen und danach auf die Startseite der Taz geschaut habe: „Was habt ihr gerade noch, das ihr wichtig genug findet, dass es auf die Startseite gehört“.

     

    Mit Facebook wär das nicht passiert.

  • "Womöglich keine schlechte Allianz.." ??

     

    Aber eine Allianz, von der mir bisher schon schlecht wird.

    http://blogs.taz.de/schroederkalender/2015/04/11/ihr-habt-es-in-der-hand-13/

  • Guter Beitrag. Hätte ich sicher nicht gefunden, wenn ich nicht bei facebook drauf gestoßen wäre...

    Leider haben es die Verlage in den letzten 20 Jahren versäumt, die Kommunikationswünsche der Menschen zu begreifen und selbst etwas aufzubauen. Jetzt verschwinden sie - gemeinsam mit ihrer langjährig gewachsenen Glaubwürdigkeit und ihren unabhängigen Distributionswegen. Tja!

  • Klingt für mich nach einer Verzweiflungstat à la dem Verscherbeln des Tafelsibers für ein paar Taler. Die Inhalte sind das Wertvollste, was Medien herstellen, und diese dann exklusiv an einen Monopolisten zu geben, halte ich für gefährlich. Denn Facebook ist der deutlich stärkere Verhandlungspartner, der bestimmt wo es zu welchen Konditionen für wie lange weitergeht. Ob das den Journalismus retten wird, wage ich stark zu bezweifeln, besonders wenn man die hoch gelobte "Unabhängigkeit" mal wieder das Klo herunterspült. In solch einem Fall brauch man sich dann auch nicht wundern, wenn Medienkritik immer lauter wird.

     

    Passend dazu der Artikel "Facebook baut gerade einen Todesstern" von Kollege Karsten Lohmeyer: http://www.lousypennies.de/2015/02/04/facebook-baut-gerade-einen-todesstern/