Vor dem 1. Mai: Autonome wollen’s wissen
Vor dem „Tag der Arbeit“ hoffen linke Gruppen auf eine Repolitisierung der Proteste. Insbesondere in Berlin wird aufgemuskelt.
BERLIN taz | Kurz vor dem 1. Mai bereiten sich bundesweit Polizeieinheiten auf zahlreiche angekündigte Demonstrationen vor. Insbesondere in Berlin könnte es am Freitag wieder unruhiger werden als in den Vorjahren – zumindest wenn es nach den Vorstellungen linker Gruppen geht.
Potenzial zur Auseinandersetzung bietet die diesjährige Route der traditionellen 18-Uhr-Demonstration, in deren Anschluss es immer wieder zu Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen war. Anders als in den letzten beiden Jahren endet der Zug in diesem Jahr wieder mitten im Kiez: Endpunkt ist mit dem Lausitzer Platz der Ort, von dem 1987 die ersten großen Mai-Krawalle ausgingen.
Die Demonstration wird außerdem an der von Flüchtlingen besetzten ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule vorbeiführen, eine weitere Herausforderung für die Polizei. Diese rechnet mit bis zu 20.000 TeilnehmerInnen, das Demonstrationsbündnis erwartet nach eigenen Angaben sogar bis zu 30.000 Menschen – damit wäre die Demonstration die größte aller Zeiten.
„Die Wut der Menschen, auch gerade angesichts des furchtbaren Sterbens im Mittelmeer, ist nicht kleiner, sondern größer geworden“, sagt Demo-Veranstalter Michael Prütz von der Neuen antikapitalistischen Aktion.
Hausbesetzungen angekündigt
Die erst Ende letzten Jahres gegründete Gruppe Radikale Linke Berlin, in der Teile der im August aufgelösten, bundesweit bekannten Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) aufgegangen sind, kündigte vollmundig eine Hausbesetzung an. „Wir wollen uns ein soziales Zentrum aneignen und gemeinsam aufbauen“, schreibt sie in einem Aufruf. In einem Offenen Brief an den Berliner Senat heißt es: „Erspart uns Mühe und euch Ärger und rückt das Haus gleich raus.“
Unterdessen werden auch in zahlreichen anderen Städten Proteste erwartet. In Hamburg sind für Freitagabend neben den traditionellen Gewerkschaftsdemonstrationen und Protesten von Flüchtlingsgruppen gleich zwei revolutionäre 1.-Mai-Demonstrationen für den Abend geplant. Klassisch revolutionär soll es außerdem bei einer Demonstration in Siegen zugehen, bei der unter anderem kurdische KämpferInnen auftreten sollen.
Auch die Neonazis mobilisieren in zahlreichen Städten zu Protesten. Proteste von und gegen Neonazis werden für Freitag unter anderem in Berlin, aber auch in Mönchengladbach, Essen und Duisburg, in Erfurt, Neubrandenburg und Saalfeld erwartet.
Leser*innenkommentare
Khaled Chaabouté
Der erste Mai ist in erster Linie ein Beschwörungsritus, aber von so etwas verstehen Realpolitiker nichts.
Realpolitiker
@Khaled Chaabouté "Beschwörungsritus" klingt irgendwie nach Lagerfeuerromantik für Exorzisten. Würde mal die forsche Prognose wagen, dass das wirklich nur sehr wenige, sehr auserwählte Vordenker verstehen. Es klingt irgendwie feingeistig - und das ist ja auch eine Leistung: Gewalt und niederträchtige Lust an Zerstörung so zu verklausulieren, dass es irgendwie "diskussionswürdig" klingt. Aber ich kann Sie beruhigen: das ist es nicht. Es sind Straftaten begangen von ganz gewöhnlichen Straftätern. Gewahl höherer moralischer Ordnung gibt es nämlich nicht...
Tecumseh
Quizfragen zum Ersten Mai.
Wer hat ihn erfunden, was sind Gewerkschaften, braucht man sie und wozu?
Dideldidum
Boa ganze 30.000 Demonstranten?
Irgendwie lustig wie "politisch" und "wichtig" die dort vertretenen Ansichten sind wenn zu jedem Fußballbundesligaspiel im Schnitt mehr Leute kommen.....
Realpolitiker
Brauche kurz Hilfe: wem genau soll es helfen, wenn man ganze Stadtteile in Schutt und Asche legt? Den Flüchtlingen? Den Ertrinkenden im Mittelmeer? Das ist eine so krude Logik, dass man sich fragt, warum man diesen Gruppierungen ein derartiges Forum mit einer an Ignoranz grenzenden "Neutralität" hier bietet.
Wer vorsätzlich das Demonstrationsrecht nutzt, um seine Hooligan-Sehnsüchte auszuleben und dies auch noch vorab in einer Pressemitteilung bekannt gibt, der darf sich nicht wundern, wenn er ein Echo erhält, welches nachhaltiger ist (und ja: sein sollte).
Es wird überraschen, aber dem Kopf, der vom Pflasterstein getroffen wird, ist es herzlich egal, ob der Werfer 23 Semester asiatischen Schattenspiel studiert hat (Antifa) oder einfach nur ein Hooligan-Nazi-Aloch ist (Hogesa). Gewalt ist feige. Gewalt ändert nichts. Jeder, der heute Abend Krawall macht, Autos anzündet und sich auch noch gut dabei fühlt: schämt Euch.