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Integriert und ausgewiesen

Geschwister aus Kamerun sollen Berlin im nächsten Jahr verlassen, obwohl Schule und Sozialarbeiter sich für die beiden einsetzen. Innensenator Körting (SPD) rechtfertigt die drohende Ausweisung

VON PLUTONIA PLARRE

Die niederschmetternde Nachricht erreichte die kamerunischen Geschwister zwei Tage vor Weihnachten: Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat das Ersuchen der Härtefallkommission abgelehnt. Für den 15-jährigen Junior und seine 18-jährige Schwester Yanga heißt das, dass sie keine Aufenthaltserlaubnis bekommen und deshalb Anfang 2006 aus Deutschland ausgewiesen werden. Es sei denn, Körting lässt sich von Juniors Lehrern und Mitschülern umstimmen. „Ich habe selten einen Schüler gesehen, der sich in so kurzer Zeit so integriert hat und der so engagiert ist“, macht sich der Rektor der Moses-Mendelssohn Oberschule in Mitte, Hartmut Bless, für den Kameruner stark. Diese Aussage scheint wenig zu nützen. „Ich sehe da keine Möglichkeit“, sagte Körting gestern zur taz.

Junior und Yanga kamen im Februar 2001 mit ihrer Mutter nach Deutschland. Die Geschwister haben verschiedene Nachnamen, weil sie „verschiedene Erzeuger“ haben, zu denen kein Kontakt bestehe, wie Junior sagt. Die Einreise wurde durch Familienzusammenführung ermöglicht, nachdem die Mutter einen Deutschen geheiratet hatte. Mit dem Mann, einem Bauarbeiter, lebten Frau und Kinder fortan in Stuttgart zusammen. „Anfangs war es wunderschön“, erzählt Junior. „Unser Leben war perfekt.“ Die Mutter habe als Sekretärin in einem Hotel gearbeitet und gut verdient. Dann kam der Bruch. Am liebsten möchte Junior darüber nicht sprechen. Auf Nachbohren sagt er immerhin so viel: Die Mutter und der Stiefvater seien straffällig geworden und verbüßten eine längere Haftstrafe in einem Gefängnis in Stuttgart.

Im zweiten Schulhalbjahr 2004 kamen die Geschwister nach Berlin. Die erste Zeit wohnten sie bei einer Tante. Diese habe sich aber auf Dauer nicht in der Lage gesehen, ihn und Yanga durchzufüttern, so Junior. Der Verein WohnSinn nahm sie einer betreuten Jugend-Wohngemeinschaft auf. „Die beiden haben sich schnell integriert“, ist Betreuer Oliver Look voll des Lobes. „Sie sind in jeder Hinsicht bereit, Verantwortung zu übernehmen.“

Yanga, Anfang Dezember volljährig geworden, besucht in Moabit eine Berufsfachschule für Banken und Versicherungen. Junior geht in die 9. Klasse der Moses-Mendelssohn-Oberschule. Von den 500 Schülern sind 80 Prozent Migranten. Juniors Klassenlehrer berichtet, wie Junior andere Schüler „mit erhobenem Kopf abblitzen ließ“, die den Schwarzen zu provozieren versuchten. Inzwischen sei Junior anerkannt. Er sei nicht nur Klassensprecher, sondern betätige sich bei Konflikten auch schulweit als Streitschlichter, nachdem er eine entsprechende Ausbildung absolviert habe. Auch was seine musikalischen und schauspielerischen Fähigkeiten angeht, wird Junior von seinen Lehrern großes Talent bescheinigt. Über das Jugendtheaterprojekt „streetcase“ sei es ihm gelungen, in die Theaterarbeit der Schaubühne einzusteigen. Junior selbst möchte einen Vertrag bei einer Modelagentur abschließen, um schnellstmöglich finanziell auf eigenen Füßen stehen zu können.

All das schützen Junior und seine Schwester nicht vor der drohenden Ausweisung. Körting beurteilt den Fall gegenüber der taz anders als die Härtefallkommission. Junior und Yanka seien mit ihrer Mutter nach Deutschland eingereist, so Körting. Deshalb hätten sie kein eigenes Aufenthaltsrecht. Die Aufenthaltserlaubnis der Mutter wurde widerrufen, nachdem diese zu fünf Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden sei. Damit sei auch das Recht der Kinder erloschen, hier zu bleiben. Schlimm genug, dass die Mutter straffällig geworden sei, so Körting. Nun könne dem deutschen Staat nicht auch noch zugemutet werden, deren Kinder zu alimentieren.

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