: CDU uneins über Einbürgerungsfragen
Während Hessen den Test aus Baden-Württemberg nachahmen will, hält ihn Nordrhein-Westfalen für untauglich
BERLIN/FRANKFURT taz ■ Der CDU-Politiker Bülent Arslan hat sich vier Eskalationsstufen überlegt. Die erste war sein Protestbrief an Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger, den Einwanderungstest zu stoppen. Passiert nichts, will der Chef des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU auf Stufe zwei hochschalten und Einwanderer zum Boykott der Fragen aufrufen. Der Protestaufruf an alle CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten – Stufe drei – wäre nur ein Zwischenschritt zur spektakulären Maßnahme: „Durchführung einer bundesweiten Unterschriftenaktion unter allen CDU-Mitgliedern.“
Der Brief an Oettinger trägt das Datum vom 6. Januar. Nach einer Woche hat Arslan noch keine Antwort. Aber er will noch ein wenig warten. So lange kann er sich schon mal notieren, welche Parteifreunde für eine Unterschrift in Frage kommen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble gehört wohl nicht dazu. Es sei berechtigt, zu fragen, wie jemand zur Zwangsheirat stehe, sagte Schäuble dem Handelsblatt. Dass sich die Parteifreunde aus seinem Heimatland Gedanken machten, sei doch „wahrlich den Schweiß der Edlen wert und sollte nicht leichtfertig diffamiert werden“.
Ganz anders Schäubles Regierungskollegin Maria Böhmer: Ein Gesprächsleitfaden wie der aus Baden-Württemberg sei „nicht zielführend“, sagte die Staatsministerin für Integration im Tagesspiegel.
Deutlicher äußert sich Nordrhein-Westfalens Integrationsminister, ebenfalls ein Christdemokrat. Der Fragebogen sei diskriminierend, weil er an Muslime gerichtet sei, sagte Armin Laschet der taz. „Außerdem: Private Glaubensüberzeugungen gehen den Staat nichts an. Warum fragt man Muslime, was sie über homosexuelle Beziehungen ihrer Kinder denken?“ Die Haltung des Papstes zur Homosexualität sei bekannt. „Soll das bedeuten, ihm würde in Baden-Württemberg die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt?“
Nordrhein-Westfalen will einen ähnlichen Test keinesfalls einführen. Da sind die unionsregierten Länder unterschiedlicher Auffassung. Einen Fragebogen wie in Baden-Württemberg (siehe Dokumentation in der taz vom 4. Januar) kann sich Ministerpräsident Roland Koch gut vorstellen. In Hessen sind in rund zehn Wochen Kommunalwahlen. Kochs Staatssekretär Dirk Metz ließ gestern ausrichten, das Innenministerium sei mit der Erarbeitung von „Handreichungen“ beauftragt worden, die den Umgang mit einbürgerungswilligen Ausländern in Gemeinden und Landkreisen allgemein verbindlich regeln sollen.
Ob dieser „Gesprächsleitfaden“ als ein für alle Antragsteller gültiges Regelwerk konzipiert oder ein nur auf Muslime zugeschnittener Fragenkatalog sein wird, war gestern nicht zu erfahren. Man werde aber die Kritik am Fragenkatalog Baden-Württembergs berücksichtigen, hieß es im Innenministerium.
Die hessische SPD verwies umgehend auf das Staatsangehörigkeitsgesetz, das ein Bekenntnis zum Grundgesetz, aber keine „diskriminierende Befragung“ vorsehe. Und die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte in Hessen warnte vor einem „großem politischem Flurschaden“ durch die geplante „Gesinnungsschnüffelei“.
Dem Grünen-Fraktionschef im Hessischen Landtag, Tarek Al-Wazir, fiel gleich auch das Beispiel vom Papst ein: Der würde dann auch in Hessen schlicht scheitern, wenn die Fragen zur sexuellen Toleranz und der Akzeptanz von Frauen an der Spitze von Unternehmen übernommen werden.
Die saarländische Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) möchte dagegen beim Thema Einbürgerungstest mit ihren Kollegen in Hessen und Baden-Württemberg „nicht in einen Topf geworfen werden“, wie ihr Sprecher Thorsten Rott gestern auf Nachfrage der taz sagte. An der Saar warte man „ganz ruhig“ die Erfahrungen in Baden-Württemberg und Hessen ab. Frühestens in einem Jahr werde das Saarland entscheiden.
Selbst Bayern hat keine Pläne, nachzuziehen. „Wir sind mit unserer bisherigen Vorgehensweise zufrieden, aber für Vorschläge immer offen“, sagte Rainer Riedl, Sprecher von Innenminister Günther Beckstein. Bayern stelle seit Jahrzehnten eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz. „Wenn es dort Erkenntnisse gibt, schauen wir im Einzelfall genauer hin.“ GEORG LÖWISCHKLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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