: Agrar-Riesen sollen selbst zahlen
LEBENSMITTELSICHERHEIT Nach Skandalen: Grüne Minister in Hannover und Kiel möchten Kosten für Kontrollen weiterreichen
Als Folge der Lebensmittelskandale sollen die niedersächsischen Agrarbetriebe nach Worten von Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) künftig die staatlichen Kontrollen selbst bezahlen. „In mehreren Stufen für die Anpassungen rechnen wir so jährlich mit bis zu 30 Millionen Euro zusätzliche Einnahmen durch kostendeckende Gebühren zur Verstärkung des Verbraucherschutzes“, sagte er in Hannover. Auch sein Amtskollege sowie Parteifreund in Kiel, Robert Habeck, sprach sich für eine Kostenbeteiligung aus.
Mit Blick auf die morgige Verbraucherministerkonferenz von Bund und Ländern hatte Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) den Ländern nahegelegt, notfalls die Wirtschaft an den Kosten für schärfere Kontrollen zu beteiligen. „Genau dafür wirbt Schleswig-Holstein schon seit längerem“, so Habeck gestern. „Die Wirtschaft ist zu einem Eigenkontrollsystem verpflichtet, und wir überwachen, ob sie ihrer Verpflichtung nachkommt. Es ist die logische Folge, dass die Unternehmen Gebühren dafür zahlen.“
Meyer wies darauf hin, dass es diese Regelung in Belgien schon seit dem Dioxin-Skandal vor acht Jahren gibt. Auch Nordrhein-Westfalen stelle auf diese Art der Gebührenfinanzierung um. Die neue Kostenregelung gelte vor allem für Großbetriebe, so Meyer gestern, „da die Kontrollintensität und das Risiko unterschiedlich sind“. Bäuerliche Familienbetriebe dagegen sollen nach den Worten des Ministers keine oder nur eine geringere Gebühr entrichten. Mit den Einnahmen aus den bislang durch Steuern finanzierten Kontrollen könnten Meyer zufolge rund 200 neue Stellen sowie Labortests finanziert werden. Zwar würden mehr Kontrolleure auch nicht sämtliche Skandale verhindern, sagte Meyer, „aber sie sind eine spürbare Konsequenz“.
„Antibiotikakontrollen, Tierschutzdienst, Öko-Betriebe, Futter- und Lebensmittel: In diesen fünf Bereichen wollen wir insbesondere die Kontrolleure aufstocken“, sagte Meyer. Bedarf gebe es darüber hinaus auch an Laborkräften und Juristen, „damit bei Mängeln auch die Konsequenzen gezogen werden können“. Denn insbesondere die großen Unternehmen setzten sich mit ihren großen Rechtsabteilungen juristisch zur Wehr.
Es sei „nicht das Ziel, von allen Kühen jede Woche das Gras zu analysieren“, sagte Meyer. Es gehe beispielsweise um die Kontrolle großer Importe, etwa wenn aus Serbien Futtermais komme. „Wir vertrauen eben nicht mehr darauf, dass die Wirtschaft sich selbst kontrolliert.“ Wenn es um „zig tausend Tonnen verdächtiger Ware“ gehe, sagte Meyer, müsse man „mit staatlichen Stellen kontrollieren“.
Darüber hinaus forderte Meyer härtere Strafen bei Vergehen sowie eine Veröffentlichung der Kontrollergebnisse im Internet – und das möglichst „zeitnah“. Derzeit verhinderten jedoch Datenschutz-Einwände eine Veröffentlichung. „Da sind wir gemeinsam mit den anderen Ländern dran, eine verfassungskonforme Lösung zu finden.“ (dpa)
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