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Kakaobericht: EU distanziert sich

Bericht über illegale Kriegsfinanzierung aus Kakaogeldern in der Elfenbeinküste ist „provisorisch“, sagt EU-Kommissar Michel. UN-Sicherheitsrat droht mit Sanktionen

„Die EU-Kommission kann den Bericht nach dem jetzigen Stand nicht benutzen“

BRÜSSEL/BERLIN taz ■ Die EU-Kommission ist auf Distanz zu dem von ihr in Auftrag gegebenen Prüfbericht zur Kakaoindustrie in der Elfenbeinküste gegangen, über den die taz sowie in Frankreich die Tageszeitung Libération berichtet hatten (taz von gestern). „Der Bericht ist noch provisorisch und vertraulich“, sagte EU-Entwicklungskommissar Louis Michel in Brüssel der taz. „Die EU-Kommission hat ihn noch nicht gebilligt.“

Der bisher noch unveröffentlichte Bericht hatte der Elfenbeinküste vorgeworfen, mittels unkontrollierter halbstaatlicher Behörden unter Leitung von Vertrauten des ivorischen Staatschefs Laurent Gbagbo Millionensummen aus dem Kakaohandel abzuzweigen. Teile davon hätten zur Finanzierung des Krieges gedient. Insgesamt sei die komplette Struktur, bei der allein in der Erntesaison 2004–05 rund 100 Millionen Euro aus dem Kakaosektor mit unbekanntem Ziel abgeflossen seien, „illegal“.

„Wir kennen das Problem, aber soweit ich weiß, kann die Kommission diesen Bericht nach dem jetzigen Stand nicht benutzen“, so Michel weiter. Gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP hatte eine ungenannte Quelle „bei der EU-Kommission“ zuvor erklärt, der Bericht sei ein „Entwurf“, den man „abgelehnt habe“, weil er „nicht solide“ sei. Diese Einschätzung wiederholte Michel nicht.

Die Kontroverse um den Verbleib der Einnahmen aus dem Kakaoexport der Elfenbeinküste, des weltgrößten Produzenten des Schokoladenrohstoffs, fällt zusammen mit einer erneuten Diskussion um Sanktionen gegen Kriegstreiber in dem westafrikanischen Bürgerkriegsland nach den Angriffen auf UN-Truppen durch Gbagbo-treue Milizen. Der UN-Sicherheitsrat erklärte am Donnerstagabend, er werde „gezielte Maßnahmen gegen noch zu bestimmende Personen, die den Friedensprozess blockieren“, ergreifen. Gemeint sind personenbezogene Sanktionen.

Der Rat verlangte das „sofortige Ende der Gewalt und aller Hasspropaganda“ in der Elfenbeinküste. Die UN-Truppe im Land müsse dem bedrängten parteilosen Premierminister Charles Konan Banny „alle nötige Unterstützung“ bieten. Außerdem „bestätigt“ der Sicherheitsrat ausdrücklich die jüngste Erklärung des internationalen Komitees GTI zur Überwachung des ivorischen Friedensprozesses, die der Grund für die gewaltsamen Proteste der Gbagbo-Anhänger war, weil darin das Ende der Amtszeit des 2000 gewählten Parlaments festgestellt worden war.

Damit verschärfte der UN-Sicherheitsrat die Haltung der internationalen Gemeinschaft zur Elfenbeinküste wieder, nachdem am Abend zuvor Nigerias Präsident Olusegun Obasanjo auf einem Blitzbesuch in Abidjan der GTI-Erklärung widersprochen hatte. Nach diesem Rückzieher hatte Gbagbo seine Anhänger aufgefordert, ihre Proteste zu beenden. Seine Partei FPI (Ivorische Volksfront), die am Dienstagabend mit ihrem Rückzug aus dem Friedensprozess und einem Aufruf zum „Befreiungskrieg“ die Gewalt angeheizt hatte, nahm ihre Protestaufrufe in der Nacht zu gestern zurück und proklamierte unter Berufung auf Obasanjo ihren „Sieg“.

Dies steht nun nach der neuen UN-Erklärung wieder infrage. Zunächst normalisierte sich die Lage in Abidjan gestern wieder, die Geschäfte öffneten zum ersten Mal diese Woche. Laut Berichten bestehen innerhalb der FPI Differenzen darüber, ob die Gewaltkampagne weitergehen soll oder nicht. FRANÇOIS MISSERDOMINIC JOHNSON

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