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„Man kauft ein bisschen die Katze im Sack“

SAMMELN Crowdfunding für Journalismus – funktioniert das in Deutschland? Von Erfolgen und Flops

Hier wird gesammelt: Crowdfunding-Plattformen

■ krautreporter.de: Im Januar 2013 starteten die Journalisten Sebastian Esser und Wendelin Hübner die Plattform, auf der sich Journalisten mit ihren Projekten präsentieren und fördern lassen können. Auf diesem Wege Erfolg hatten unter anderem die Journalisten Pauline Tillmann und Tilo Jung (siehe Text). In den USA organisiert spot.us schon seit 2008 spendenfinanzierten Journalismus für die kalifornische Bay Area.

■ startnext.de: Mit über 4 Millionen gesammelten Euro nach eigenen Angaben die größte deutsche Crowdfunding-Plattform. Anders als auf krautreporter.de kann man sich hier alles fördern lassen – von Musik bis Film, vom fair produzierten Schuh bis zur Docking-Station fürs Handy. Konkurrierende deutsche Crowdfunding-Seiten wie Inkubato oder pling.de kränkeln etwas vor sich hin, anders als US-Vorbild kickstarter.com.

VON DANIEL BOUHS

Er hat sich sogar richtig nackig gemacht, in seinem Werbevideo. Im wahrsten Sinne des Wortes. Doch auch dieser exhibitionistische Ansatz hat ihm nicht geholfen: Daniel Bröckerhoff, Fernsehjournalist mit Hang zur Selbstinszenierung, bekommt einfach nicht die Kohle zusammen, die er braucht.

42.000 Euro will er einsammeln. Damit möchte er ein ungewöhnliches Projekt stemmen, das gleich zwei neue Entwicklungen verbinden möchte: Crowdfunding, also die Finanzierung durch Viele, und Open Journalism, das Miteinbeziehen der Menge in den journalistischen Prozess. Das klingt hoffnungsfroh, funktioniert bloß nicht. Zumindest nicht auf Anhieb: Bröckerhoffs Spendentopf bei der Crowdfunding-Plattform startnext ist bislang nur mit gut 4.000 Euro gefüllt – gerade einmal ein Zehntel des avisierten Budgets. Und es bleiben nur noch wenige Tage, dann muss der Rest zusammengekommen sein – sonst gibt es gar nichts. So sind die Spielregeln beim Crowdfunding.

„Man kauft so ein bisschen die Katze im Sack und weiß nicht so recht, wohin die Reise geht“, hat Bröckerhoff gesagt, wenige Wochen nachdem er angefangen hat, Geld einzusammeln für „st_ry – Deine Doku“. Die Geschichte, die der 34-Jährige erzählen möchte, ist der Umgang mit Daten in der digitalen Welt: Wer hat sie und wie bekommt man sie zurück? Wie genau er das erzählen will, was er plant, will er allerdings erst noch herausfinden und vor allem mit den Unterstützern seines Projekts diskutieren – ein offener Ansatz im beste Sinne also. Aber eben auch etwas völlig Vages.

Dass das ein Problem sein könnte, sieht auch Bröckerhoff inzwischen ein.

Die Tücke im Detail

Dass dieses große Projekt nicht funktioniert, heißt aber nicht zwangsläufig, dass Crowdfunding für Journalismus an sich eine Totgeburt ist. Im Gegenteil: Nicht nur in den USA, auch hierzulande gibt es längst die ersten Erfolge. Pauline Tillmann beispielsweise hat 38 Geldgeber für eine Recherche in Tibet gewonnen. Die 30-Jährige, die sich derzeit von St. Petersburg aus als freie Journalistin durchschlägt, will Menschen aufspüren, die sich selbst anzünden – aus Protest gegen die chinesische Politik.

Tillmann hat ihr Konzept auf der Plattform „Krautreporter“ präsentiert, einer Plattform für kollektiv finanzierten Journalismus (siehe Kasten). Und erklärt: Medienhäuser bezahlen ihr das Projekt nicht, aber vielleicht die Crowd? Am Ende kamen 3.800 Euro zusammen, etwas mehr, als ihr Reiseplan vorsah, den sie ebenfalls offenlegte.

„Ich hatte Glück“, sagt Tillmann. Knapp die Hälfte des Betrags hätten Spender mit Kleinstbeträgen beigesteuert, dann aber kam auf einen Schlag der Rest von einem Münchener Ehepaar zusammen. „Ich habe sie zufällig in St. Petersburg kennengelernt und ihnen von dem Projekt erzählt – und sie fanden es so gut, dass sie sich kurzfristig entschieden haben, es zu unterstützen.“

Nach der Idee ist also auch das Geld da. Wie und vor allem wann sie ihr Projekt letztlich aber umsetzen wird, steht noch in den Sternen. Tillmann, die vor allem fürs Radio arbeitet, findet derzeit keinen Abnehmer. Die Sender, die zwar nicht die aufwendige Reise, aber zumindest die Produktion bezahlen könnten, reagieren teils gar nicht auf Tillmanns Angebot oder lehnen schließlich ab. Die Recherche sei gefährlich. Tillmann überlegt, ihre Arbeit am Ende einfach ins Netz zu stellen.

Aber auch das Visum könnte noch ein Problem werden: Ein Journalistenvisum scheint aussichtslos. Einfach so als Touristin einzureisen wäre heikel: Ihr Recherchevorhaben steht für jeden einsehbar im Netz, sie könnte also auffliegen.

Einfacher haben es da die Freischreiber. Der Verein selbständiger Journalisten hat per Crowdfunding gut 12.000 Euro akquiriert, um eine „Freienbibel“ aufzulegen, ein Buch mit Tipps und Tricks für Kollegen. Wer Geld gegeben hat und damit die Honorare für Autoren und Grafiker finanziert, bekommt je nach Höhe der Spende eines der ersten Expemplare oder wird zusätzlich im Buch als Unterstützer erwähnt. Ein Budget von 7.000 Euro haben die Freischreiber mindestens für das Projekt sammeln wollen, fast doppelt so viel ist zusammengekommen. Hunderte unterstützen dieses Projekt.

Dass das klappen würde, war nicht immer klar: Zum Start der Förderphase zahlten die ersten Spender schnell ein, stagnierte die Summe im April, und zwar deutlich unter dem Zielbetrag, den die Freischreiber angegeben hatten. Um dem Projekt doch noch zur erfolgreichen Finanzierung durch die Crowd zu verhelfen, aktivierten die Freischreiber also ihre Verteiler. Mit Erfolg.

Jung und naiv als Konzept

Auch bei dem Berliner Journalisten Tilo Jung funktionierte es: Ihm spendete die „Crowd“ in diesem Frühjahr fast 6.000 Euro. Mit deren Hilfe kann er nun seine Serie „Jung & Naiv“ fortsetzen, in der er, zunächst auf eigene Kosten, versuchte, sich komplexe Themen wie Netzneutralität und Kriegseinsätze von Experten möglichst verständlich erklären zu lassen.

Der Frankfurter Comiczeichner Joscha Sauer bekam von seinen Fans sogar über 180.000 Euro, um den Figuren seiner Reihe „Nichtlustig“ Leben einhauchen zu können – Starthilfe für die Produktion von Youtube-Videos. Auch Sauer belohnte seine Förderer: Wer spendete, sieht die Cartoons zuerst, wer besonders großzügig war, zudem bei einem Filmabend mit dem Autor.

Daniel Bröckerhoff hält unterdessen eisern an seinem Traum fest, seine „st_ry“ ebenfalls abseits der etablierten Strukturen der Medienkonzerne produzieren zu können. „Wir werden das Projekt nicht einfach sterben lassen, nur weil das auf Anhieb nicht geklappt hat“, sagt der Fernsehautor, der einst bei RTL gelernt hat und nun als Freier arbeitet, etwa für NDR und ZDF. „Irgendwie werden wir das durchziehen – mit einem etwas anderen Modell.“

Eigentlich läuft die Förderphase für „st_ry“ Mitte Juni aus. Denkbar wäre, den Zeitraum deutlich zu verlängern – dabei muss allerdings die Crowdfunding-Plattform startnext einwilligen. „Jedenfalls müssen wir offenbar doch in Vorleistung gehen“, sagt Bröckerhoff, der das Projekt nicht alleine, sondern mit etwa einem Dutzend Kollegen umsetzen will. Neben ihm gibt es Produzenten, Redakteure und Techniker.

„Wir wollen ja nicht Netzqualität bieten, wie das jeder kann, sondern Fernsehqualität“, sagt der Journalist. Sein Bewerbungsvideo, in dem er sogar die Hose heruntergelassen hat, um zu illustrieren, dass er es mit seinem Datenstriptease erst meint, zeigt das: Der Trailer wirkt so professionell produziert, dass er ebenso bei ZDF Neo oder EinsPlus laufen könnte. Aber mehr als das Thema wird darin eben noch nicht verraten. Und Datenschutz an sich ist dann auch ein sehr weites Feld. Bröckerhoff will das justieren.

„Vermutlich müssen wir außerdem erst einmal eine Folge drehen, damit die Leute wissen, was wir ihnen bieten“, sagt Bröckerhoff. Damit aber steigt freilich der Aufwand – und nicht zuletzt vor allem auch: das Risiko. 42.000 Euro bleibt eben so oder so eine ordentliche Stange Geld.

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