: Und sie marschieren doch
Bundesverfassungsgericht erlaubt Neonazi-Umzug in Lüneburg. Richter sehen keine „provokative Wirkung“
Erwünscht sind die „Freien Nationalisten“ um Christian Worch in Lüneburg nicht. Gegen ihren heutigen Aufmarsch plant seit Wochen ein breites „Netzwerk gegen Rechts“ verschiedene Aktionen. Auch die Stadt, unterstützt von allen Parteien bis hin zur CDU, versuchte den Aufmarsch zu unterbinden. Ohne Erfolg: Gestern entschied Bundesverfassungsgericht, s die Demonstration stattfinden darf.
„Mit Bedauern nehmen ich die Entscheidung zur Kenntnis“, erklärt Andreas Meihsies, Grünen-Landtagsabgeordneter aus Lüneburg. Vergangene Woche war der Hamburger Neonazichef Worch noch vor dem Lüneburger Oberverwaltungsgericht gescheitert, das in dem Aufmarsch einen Tag nach dem Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus eine Missachtung der „Ehre der Opfer“ und des „Anstandsgefühl der Mehrheit der Bürger“ sah.
Das Bundesverfassungsgericht folgte diesem Urteil jedoch nicht. Von der „zeitlichen Nähe“ zum Gedenktag und dem Motto der Nazidemo könne keine „provokative Wirkung“ abgeleitet werden, die ein „Störung der öffentlichen Ordnung“ erwarten lasse. Ein „zu erwartender Skandal“, meint Olaf Meyer vom „Netzwerk“ zu der Entscheidung. Nicht zum ersten Mal ermögliche das oberste Gericht den Neonazis, trotz eindeutiger politischer Intention aufzumarschieren. Das Motto der Demo („Den 130 kippen – gegen staatliche Repression“) richtet sich gegen den Volksverhetzungsparagrafen 130, der die Verharmlosung und Leugnung von NS-Verbrechen verbietet.
„Wir erwarten über 2.000 Gegendemonstranten“, erklärt ein Polizeisprecher. An die 200 hätten die Neonazis angekündigt. Um den rechten Marsch zu sichern, sagt Polizeidirektor Hans-Jürgen Felgentreu, seien über 2.300 Beamten vor Ort. Die Rechten haben mittlerweile mitgekriegt, dass den Gegenakteuren ein breites Bündnis gelungen ist, das von Antifa-Gruppen, DGB, SPD, Grünen bis CDU reicht. Auf Neonaziswebsites wie „Störtebeker netz“ rufen sie auf, „Netzwerk“-Organisator Olaf Meyer „das Handwerk zu legen“. Nach dem Marsch planen die Rechten ein Konzert.
Andreas Speit
Gegendemo: am heutigen Samstag, 10 Uhr, Clamartpark in Lüneburg
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