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Quo vadis, Wahlalternative?

Heute findet das erste öffentliche Forum der WASG statt. Thema: Immer noch die gemeinsame Kandidatur mit der Linkspartei bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus. In der WASG ist das höchst umstritten. Welcher Flügel wird sich durchsetzen? Und wer hat überhaupt das Sagen in der Partei? Ein Who’s who der Wahlalternative

Das U-Boot – Felix Lederle

Felix Lederle kennt nur ein Ziel: die Gründung einer gesamtdeutschen Linkspartei unter Einschluss von WASG, PDS und den sozialen Bewegungen bis 2007. Daher hält der 30-Jährige den Streit in Berlin für „provinziell“ und „kleinkariert“. Er sagt: „Wir stehen vor der einmaligen Chance, eine neue linke Kraft zu etablieren.“ Die müsse man nutzen.

Lederle gehört zu den Gründern des so genannten Lipa-Netzwerks, eines Verbunds von etwa 60 WASG-Mitgliedern, der sich seit dem Sommer dafür einsetzt, die Linke innerhalb der Linkspartei zu stärken. Etwa 10 Prozent der Landesverbandsmitglieder sympathisieren mit ihm – nicht gerade mehrheitsfähig. Immerhin hat es Lederle geschafft, die Mehrheit seines Bezirksverbands in Charlottenburg auf seine Seite zu ziehen.

Im Landesverband der WASG wird sein Netzwerk zunehmend isoliert. Umso intensiver pflegt er Kontakte zur Linkspartei. „Wir werden alles dafür tun, die Urabstimmung zu gewinnen“, sagt Lederle. Wenn das nicht klappt, werden die Übertritte wohl nicht ausbleiben. FLEE

Der Realo – Klaus-Dieter Heiser

Gäbe es bei der WASG einen Realo-Flügel, Klaus-Dieter Heiser wäre ihr oberster Protagonist. Doch die Einteilung in Realos und Fundis wie einst bei den Grünen gibt es bei der WASG offiziell noch nicht. Und so gilt der 58-Jährige bloß als einer der besonders eifrigen Verfechter einer gemeinsamen Kandidatur mit der Linkspartei.

Heiser war lange Jahre bei Ver.di aktiv, dann bei Attac. Als die Berliner Wahlalternative gegründet wurde, ließ sich der Neuköllner sogleich in den Landesvorstand wählen. Doch weil er zu den Ersten gehörte, die für ein Zusammengehen mit der PDS plädierten, wurde er nach kurzer Zeit wieder abgewählt.

Heiser gehört zur so genannten Rixdorfer Initiative, einem Verbund von etwa 30 bis 40 besonders engagierten AktivistInnen der WASG. Bis vor kurzem hatten sie noch auf Verhandlungen gesetzt, in der Hoffnung, die Linkspartei würde auf die WASG zugehen. Doch die sitzt das Problem aus. Nun hat Heisers Initiative eine parteiinterne Unterschriftensammlung gestartet. Die Resonanz ist bisher verhalten. FLEE

Das Urgestein – Ralf Krämer

Noch keine vier Jahre lebt er in Berlin, und dennoch gehört er zum Urgestein. Zusammen mit einem Kollegen war der Ver.di-Gewerkschaftssekretär Ralf Krämer der Erste, der in einem Papier die Gewerkschaften aufforderte, eine Perspektive links von der SPD ins Leben zu rufen. Er gehörte selbst fast 20 Jahre der SPD im Ruhrpott an. Die Wahlalternative war geboren.

Der 45-Jährige hat maßgeblich am Gründungsprogramm der WASG mitgewirkt. Bei der Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl war er der einzige WASG-Vertreter, den die Linkspartei nominierte – auf dem aussichtslosen 6. Platz. Um alternative Posten beim Landesverband der WASG hat er sich seitdem nicht weiter bemüht – sicherlich eine richtige Entscheidung. Wollte Krämer mit der WASG ursprünglich eine soziale Opposition im Parlament, die auch für Kräfte der PDS offen gewesen wäre, plädiert er nun für eine gemeinsame Kandidatur. Nicht nur in seiner Bezirksgruppe in Pankow ist er damit einsamer Verfechter einer Minderheitenmeinung. FLEE

Der Wassermann – Stefan Müller

Stefan Müller (38) wäre sicherlich ein Shootingstar, ginge es bei dem Berliner Landesverband irgendwie aufwärts. Tut es aber nicht. Und so muss sich der promovierende Politologe weiterhin mit der Funktion als Kopf der „Wasserfraktion“ begnügen.

Der Spitzname seiner etwa zehnköpfigen Fraktion geht auf die Gründungszeit der Wahlalternative zurück. Damals hatte er sich mit seinen Mitstreitern vor allem für die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe stark gemacht, was nach wie vor ein großes Herzensanliegen ist. Seitdem sind sie ihren Spitznamen nicht mehr losgeworden.

Müller, der nun einen der drei geschäftsführenden Vorstandsposten besetzt, ist erst seit November im Amt, sieht sich dort mit den anderen Linkspartei-GegnerInnen aber in guter Gesellschaft.

Galten Müller und die Wasserfraktion anfangs durchaus noch als verhandlungsbereit, haben sie sich nun auf die Seite der PDS-Gegner geschlagen. „Solange sich bei der Linkspartei nichts bewegt, ist das auch eine richtige Entscheidung“, sagt er. FLEE

Der Bestandswahrer – Rouzbeh Taheri

Dass Rouzbeh Taheri bei der Luxemburg-Liebknecht-Demo vor zwei Wochen nicht nur Oskar Lafontaine, sondern auch Gregor Gysi und anderen Größen der Linkspartei hinterherdackelte, sollte keine Signalwirkung haben. „Bei Rosa Luxemburg sind wir uns ja auch einig“, sagt der 32-jährige Volkswirt. „Was die Probleme in Berlin betrifft, allerdings nicht.“

Rouzbeh Taheri muss wissen, wovon er spricht. Zehn Jahre war er Mitglied der PDS, bis vor zwei Jahren sogar als hochschulpolitischer Sprecher im Bundesvorstand. Doch die Politik des rot-roten Senats ging ihm zu weit. Und nun ist er vehemente einer derjenigen, die bei den Abgeordnetenhauswahlen eigenständig antreten wollen. Eine neue Partei: Ja. Eine vergrößerte PDS: Nein.

Seine Antihaltung ist verständlich: Innerhalb der WASG sitzt er fest im Sattel. Immerhin ist er einer der wenigen, die es bei der neuen Formation geschafft haben, im häufig wechselndem Landesvorstand ihren Posten zu halten. Bei einer Fusion wäre das anders. Da könnte ihm niemand mehr einen Funktionärsposten garantieren. FLEE

Der Unbelastete – Siemen Dallmann

Im WASG-Dickicht widerstreitender Meinungen hat Siemen Dallmann einen Vorteil: Er ist neu im Politikgeschehen. Zwar hat der 48-Jährige früher die PDS gewählt, doch erst in der Wahlalternative engagiert er sich. Was andernorts als mangelnde Reife gilt, verleiht dem Weddinger in der Wahlalternative den Ruf, unbelastet zu sein. Ein Plädoyer für mehr Basisdemokratie und innerparteiliche Diskussion brachte dem gebürtigen Niedersachsen im Juni 2005 die Wahl in den Landesvorstand ein. Fünf Monate später war es damit vorbei. Der Streit zwischen FusionsbefürworterInnen und GegnerInnen war eskaliert, der Vorstand musste zurücktreten. Dallmann kann ausgleichen, die inhaltliche Profilierung liegt ihm hingegen nicht: Der Mitarbeiter einer Firma für Hauswartsdienstleistungen ist für eine gemeinsame Bundespartei von Linker und WASG. In Berlin ist er dagegen: „Im Land muss eine gemeinsame Linke wählbar sein.“ Weil das nicht der Fall sei, will Dallmann an einer eigenständigen Wahlalternative festhalten. Wegen der Basisdemokratie. MLO

Der Berufsoppositionelle – Michael Prütz

Bei so ziemlich allem, was in Berlin einmal als alternativ und links galt, hat der heute 53-Jährige mitgemacht. Ein kurzer Abriss zeigt, warum der gebürtige Berliner heute dort steht, wo er steht. In den 80er-Jahren war der erklärte 68er bei der Alternativen Liste (AL). Von 1991 bis 2002 war Prütz Mitglied der PDS. Im Jahr 2001 kandidierte der gelernte Politologe erfolglos für ein Direktmandat im Abgeordnetenhaus. Weil er die rot-rote „Haushaltskonsolidierung auf Kosten der sozial Schwachen“ ablehnte, verließ er die SozialistInnen nur ein Jahr später. Die PDS war in die Koalition eingetreten. Immer wenn aus Protest Regierungsteilhabe wurde, ging Prütz. Vor zwei Jahren brachte der Versicherungsmakler aus Kreuzberg das Volksbegehren zur Abwahl des rot-roten Senats ins Rollen. Bei den früheren GenossInnen ist Prütz deshalb heute Persona non grata. Er ist Mitglied im WASG-Landesvorstand und will die Partei im Abgeordnetenhaus gegen weitere Unternehmensprivatisierungen in Stellung bringen. MLO

Die Abwartende – Barbara Suhr-Bartsch

Nein, einem Parteiflügel will die 46-Jährige nicht zugerechnet werden. „Das setzt nur Feind- oder-Freund-Bilder frei.“ Trotzdem ist ihre Position klar. Eine Fusion mit der Linkspartei will das Exmitglied des WASG-Landesvorstands derzeit nicht. Und überhaupt: „Die Fusionsdebatte engt die Sichtweise ein. Es geht doch um die Bildung einer breiten Linken in Deutschland.“

Deshalb will Suhr-Bartsch auf absehbare Zeit eine eigenständige WASG, die sich mit ihrer Formierung Zeit lässt. Noch sei die Partei eine „Sammlungsbewegung, die kritische, kritisch kompromissbereite, weitergehend linke Kräfte“ zusammenbringt. Die jüngsten Streikdrohungen im öffentlichen Dienst bestätigen aus Sicht der Steglitz-Zehlendorferin, dass die Wahlalternative richtig liegt: Es sei Zeit für eine neue Linke. Die ehemalige Hörfunkjournalistin teilt sich mit einem Kollegen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der WASG. Doch ihre Haltung zur Linkspartei macht sie eher zur Sprecherin der FusionsgegnerInnen. MLO

Die Linkste – Lucy Redler

Es ist nicht leicht, in der WASG als besonders links zu gelten. Lucy Redler hat es geschafft. Die 26-Jährige war schon Mitglied bei Attac und macht mit bei Ver.di. Entscheidend für ihre Bedeutung in der Partei aber ist: Die vor zwei Jahren aus Hamburg Hergezogene gehört zur Sozialistischen Alternative (SAV).

Die Linksten unter den Linken sprechen sich gegen eine Fusion mit der verhassten Ex-PDS aus. Stattdessen solle sich die WASG dem „Klassenkampf von oben“ entgegensetzen. Redler ist nicht nur gegen weitere Privatisierungen von Landesunternehmen. Bereits verkaufte Firmen wie die Wasserbetriebe solle der Senat zurück in staatliche Hände holen. Fast selbstverständlich erscheint da Redlers kategorisches Nein zu „Hartz I–IV und Agenda 2010 und deren Umsetzung“. Als Landesvorstandsmitglied hat Redler etwas zu sagen, wenn es um innerparteiliche Debatten geht. Auch im Streit mit den „Linksruck“-Leuten. Die verstehen sich nämlich auch als besonders links. MLO

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