EU-Geld für Hamas-Regierung?: KOMMENTAR VON KARIM El-GAWHARY
Angela Merkel hat auf ihrer Nahostreise klar gemacht: Es gebe für eine neue palästinensische Regierung keinen Cent aus Europa, wenn die Hamas nicht der Gewalt abschwöre und Israel anerkenne. Das klingt zwar plausibel. Politisch weise ist es nicht.
Denn der Versuch, eine Regierung zu isolieren, die von einer deutlichen Mehrheit der Palästinenser gewählt wurde, dürfte schlimmstenfalls in einem algerischen Szenario enden. Dort hatte die Nichtanerkennung des islamistischen Wahlsiegs das Land in den Neunzigerjahren in einen blutigen Bürgerkrieg geführt, der über 100.000 Tote forderte. Die Europäer haben aus diesem Desaster gelernt und die Konsequenz gezogen, fortan auch zu Islamisten den Kontakt zu suchen.
Zwar steht die Hamas noch immer auf der Terrorliste der EU. Der angebliche Boykott durch die EU war aber eine Farce, die nach dem erdrutschartigen Wahlerfolg der Hamas nur noch durchsichtiger geworden ist. Wenn sich die Hamas also nicht isolieren lässt, dann muss es den Europäern darum gehen, einen positiven Einfluss auf deren künftige Entwicklung zu nehmen. Am einfachsten scheint es da, bei mangelndem Wohlverhalten den Geldhahn zuzudrehen. Doch abgesehen davon, dass ein solcher Schritt vor allem die Gehälter der palästinensischen Beamten treffen dürfte, die zumeist der Fatah nahe stehen – es ist auch sehr zweifelhaft, ob eine offene Erpressung bei der Hamas die gewünschten Ergebnisse zeitigt. Die Organisation befindet sich mitten in einem tief greifenden Wandel, an dessen Ende die Niederlegung der Waffen und die Anerkennung Israels stehen könnten. Der letzte Anschlag innerhalb Israels, für den die Hamas verantwortlich zeichnete, fand im September 2004 statt; alle anderen Attentate seitdem gingen auf das Konto radikalerer Gruppen.
Europäisches Zuckerbrot würde den pragmatischen und moderaten Flügel der Hamas stärken; die Peitsche dagegen nur die Radikalen ermuntern. Der Westen fordert gerne mehr Demokratie in der arabischen Welt. Leider sind es meist Islamisten, die an den Urnen als Gewinner reüssieren. Am Umgang mit der Hamas wird sich zeigen, wie man in Europa mit diesem Dilemma umzugehen gedenkt.
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