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Senat rechnet lieber nicht

ELBPHILHARMONIE Kurz vor der Bürgerschafts-Entscheidung über den Weiterbau enthüllt Rege-Aufsichtsrat, der Senat habe den Preis von weiteren 195 Millionen Euro nie geprüft

Chronische Kostenexplosion

Beim Projekt Elbphilharmonie steigen die Kosten kontinuierlich.

■ 2005: Im Juli beziffert eine erste Machbarkeitsstudie den Anteil der Stadt auf 77 Millionen Euro.

■ 2006: Im November steigt die Summe auf 114,3 Millionen Euro.

■ 2008: Im November räumt der Senat ein, der Anteil der Stadt erhöhe sich auf 323 Millionen Euro.

■ 2012: Im Dezember kündigt Bürgermeister Scholz eine Einigung mit Hochtief an. Der Preis für die Stadt steigt somit auf 575 Millionen Euro.

■ 2013: Seit April kostet die Elphi inklusive aller Nebenkosten und Steuern 865 Millionen Euro, davon entfallen 789 Millionen Euro auf Hamburg.

VON PETRA SCHELLEN UND SVEN-MICHAEL VEIT

Mit einem Skandal ist der Aufsichtsratschef der Elbphilharmonie Bau KG auf einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses der Bürgerschaft an die Öffentlichkeit gegangen. Man habe, sagte Johann Lindenberg am Freitagabend, die 195 Millionen Euro, welche die Stadt zusätzlich an Hochtief zahlt, damit der Konzern das Konzerthaus fertig baut, „nie nachgerechnet oder hinterfragt“. Der Betrag sei im Grunde eine „Einigungssumme“. Im Gegenzug bekomme man, so Lindenberg, „einen Vertrag, in dem Hochtief weitreichende Garantien liefert“.

Dieser Vertrag, den der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) kurz vor Weihnachten 2012 der Öffentlichkeit präsentierte, bedeutet einen kompletten Strategiewechsel: Noch bis Herbst 2012 hatte der Senat stets betont, keinen Cent mehr zahlen zu wollen. „Auch intern war klar, dass es bei den zähen Verhandlungen mit Hochtief keine großen finanziellen Spielräume gab“, sagte Heribert Leutner, Ex-Chef der städtischen Realisierungsgesellschaft. Deshalb – und wegen der zahlreichen Vertrauensbrüche durch Hochtief – hatte sich der Aufsichtsrat im September 2012 für die Kündigung ausgesprochen.

Warum danach das Gegenteil geschah, konnte Lindenberg nicht erklären. „Der Bürgermeister war mehrmals im Aufsichtsrat und dort ist der Vertrauensverlust deutlich thematisiert worden.“ Die Entscheidung, Hochtief trotzdem frische 195 Millionen für den Weiterbau zu zahlen, habe der Senat wohl in den Folgetagen getroffen, weil inzwischen ein neuer Vertragsentwurf vorgelegen habe.

Dem Vorsitzenden des am Freitag gleichfalls beteiligten Kulturausschusses, Norbert Hackbusch (Linksfraktion) leuchtete diese Chronologie nicht ein. „Mir scheint, dass sich zwei Dinge parallel abgespielt haben“, sagte er. „Einerseits hat der Senat zwei Jahre lang einen Konfrontationskurs gefahren und die Kündigung vorbereitet. Parallel wurde ohne Wissen des Aufsichtsrats der neue Vertrag verhandelt.“

Erstmals bekannt wurde im Ausschuss zudem, dass Hochtief bis zum Herbst lediglich Nachforderungen von 50 Millionen Euro gestellt hatte, von denen die Stadt lediglich ein Viertel für gerechtfertigt hielt. Eine Kündigung an Hochtief sei aufgrund von Leistungsverweigerung und Baustillstand juristisch möglich gewesen. Damit wären auch Schadenersatzforderungen von über 100 Millionen Euro durchsetzbar gewesen.

Damit gebe es weiterhin keine Klarheit, „wie sich der Preis der Einigung von 195 Millionen Euro für Hochtief zusammensetzt und für welche Leistungen diese hohe Summe bezahlt werden soll“, kommentiert CDU-Fraktionschef Dietrich Wersich: „Es ist zu befürchten, dass eine belastbare Kalkulation niemals vorgelegen hat.“

Eben darüber wird am kommenden Freitag Bürgermeister Scholz vor dem Ausschuss Auskunft geben müssen. Am 19. Juni soll die Bürgerschaft in einer Sondersitzung über den Vertrag entscheiden.

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