: Kreuzchen unter Beobachtung
WAHLGEHEIMNIS Videokameras in Hamburger Wahllokal hätten die Stimmabgabe einfangen können. Geräte waren aber abgeschaltet – angeblich
Hendrik Bramhoff lässt nicht locker. In Briefen an deutsche und europäischen Institutionen bittet der Programmierer darum, dafür Sorge zu tragen, dass bei Wahlen in Hamburg eine mögliche Bespitzelung der Stimmabgabe unterbunden und der Schutz des Wahlgeheimnisses gewahrt werden möge.
Stein des Anstoßes war die Haspa-Filiale am Rathaus, in der sich bei der Bundestagswahl sein Wahllokal befunden hatte. Bei seiner Stimmabgabe stellte Bramhoff fest, dass mindestens drei Videokameras im Raum hingen, die es auch ermöglicht hätten, hinter die Sichtblenden am Wahltisch zu blicken. Auf seine Beschwerde hin erklärten die anwesenden Wahlhelfer, die Kameras seien am Morgen des Wahltages abgeschaltet worden – das habe die Haspa zugesichert. Ob sie wirklich nicht filmten, war vor Ort allerdings nicht überprüfbar.
Die schriftliche Beschwerde, die Bramhoff an Landeswahlleiter Willi Beiß richtete, förderte nun eine dicke Panne zutage. Zwar versichert auch Beiß, dass alle Kameras in Banken und Sparkassen, in denen gewählt wurde, am Wahlsonntag „definitiv“ auf Staatskosten ab- und erst nach der Auszählung wieder eingeschaltet worden seien. Allerdings räumt Beiß ein, dass die Bezirksverwaltung versäumt hatte, durch Schilder auf die Existenz der Kameras hinzuweisen.
Auf dieses Prozedere hatten sich 2004 der damalige Datenschutzbeauftragte Hans-Herrmann Schrader und die Kreiswahlleitungen geeinigt. Demnach sollten gut sichtbare Schilder besagen: „Der Wahlraum wird nicht videoüberwacht“. Für die Zukunft verspricht Beiß einen Ablaufplan für Wahlhelfer zu erstellen, so dass das Aufstellen der Hinweisschilder auch bei „Personalwechsel“ in den Wahlgeschäftsstellen nicht mehr vergessen werden kann.
Bramhoff reicht das nicht. Allein das Aufstellen von beruhigenden Hinweisschildern ist für ihn keine Unbedenklichkeitserklärung. Ein Wähler müsse vielmehr sicher sein können, dass die Kameras nicht funktionsfähig seien, „ohne Spezialkenntnisse zu haben“. Im konkreten Fall hätten die Kameras entweder verhängt werden oder deutlich zur Seite gedreht werden müssen.
Die einzige „saubere Lösung“ allerdings wäre für den EDV-Fachmann eine geschlossene Wahlkabine. Denn auch in einer zum Wahllokal umfunktionierten Bücherhalle etwa sei eine technische Ausspähung möglich. „Es gibt kleine Kameras, die heimlich sonst wo angebracht werden können“, sagt Bramhoff.
Er fordert den Landeswahlleiter auf, die Praxis so zu ändern, dass in „Zukunft eine Überwachung des Wählers technisch unmöglich ist“. Sarkastisch weist er darauf hin, dass ein UN-Wahlbeobachter etwa im Iran auch keine Kameras akzeptieren würde.
Nach Angaben der Innenbehörde sucht die Stadt aber ohnehin nach alternativen Standorten für Wahllokale – auch wegen der Kosten. KAI VON APPEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen