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„Wie ein Hasenstall“

WOHNEN Am Mittwoch zeigt Ikea sein erstes Musterhaus in Deutschland. Der Hofheimer CDU-Politiker Frank Härder will das Schlimmste verhindern

Frank Härder

Von Beruf Chef der CDU und Stadtverordneter in Hofheim am Taunus, wo Ikea im Stadtteil Langenhain Holzhäuser bauen will. Von Beruf ist Härder, 44, Architekt. Foto privat

INTERVIEW KIRSTEN KÜPPERS

taz: Herr Härder, wohnen Sie noch oder leben Sie schon?

Frank Härder: Ich wohne. Und ich lebe auch, Gott sei dank!

Was haben Sie denn gegen Ikea?

Nichts. Wir wollen in der Stadtverordnetenversammlung nur eine vernünftige Lösung haben für unseren Stadtteil Langenhain, wo die neuen Ikea-Häuser ja gebaut werden sollen.

Ikea hat den Mief aus deutschen Wohnzimmern vertrieben. Wäre es dem Unternehmen nicht auch zuzutrauen, den Mief deutscher Reihenhaussiedlungen zu verscheuchen?

Der erste Eindruck, den ich von den Häusern hatte, war genau der gegenteilige. Das Ganze hat nämlich ein bisschen arg einfach ausgesehen.

Was war denn so schlimm?

Wir haben nur eine Vorlage in Schwarz-Weiß bekommen. Da sahen die Häuser auf den ersten Blick aus wie Behelfsbauten, die man nach dem Zweiten Weltkrieg hier aufgestellt hat. Eine graue Fassade mit zwei Löchern drin. Das eine war die Tür, das andere war das Fenster. Es soll auch ein sehr flach geneigtes Dach drauf. Wie bei einem Hasenstall. Da muss man mal sehen, ob das gestalterisch Sinn macht.

Haben Sie Hasen?

Nein.

Aber Sie sind Architekt. Wie sehen denn die Häuser aus, die Sie bauen?

Ich bin völlig auf dem Holztrip. Ich habe zum Beispiel das erste viergeschossige Holzhaus in Deutschland gebaut. Als Zwei-Liter-Haus, komplett ökologisch. Aber man kann die so gestalten, dass sie ordentlich aussehen.

Vielleicht fürchten Sie nur einfach die Konkurrenz von Ikea.

Ich baue im viel höherpreisigen Segment. Und wir können ja nur profitieren, wenn sich im unteren Bereich was tut. Denn diese Kunden entscheiden sich vielleicht irgendwann, mehr Geld für ein Holzhaus auszugeben.

Was würden Sie bei den Ikea-Häuser anders machen?

Man könnte den Fenstern Rahmen verpassen, sodass sie nicht aussehen wie Löcher, die man in eine Baracke gestemmt hat. Und die Fassaden so verputzen, dass sie nicht aussehen wie Bretterwände. Zudem müssen die Häuser zu den anderen Häusern im Gebiet passen. Wir können nicht einfach für Ikea den Bebauungsplan bedingungslos ändern. Im Moment sehen die Häuser aus wie bei „Ferien auf Saltkrokan“.

Wie sehen bisher die Häuser in Hofheim-Langenhain aus?

Das sind Häuser mit steilen Dächern und verputzter Fassade. Die Dachneigung bei den Ikea-Häusern ist wesentlich flacher. Und die Bebauung ist dichter.

Sonst ist Ihre CDU doch die Partei für Eigenheimbesitzer. Warum laufen Sie jetzt wegen ein paar flacher Dächer Sturm?

Auf Klippan folgt Boklok

■  Die Idee: Ikea will in Deutschland nicht nur Möbel wie Klippan oder Ivar, sondern ganze Wohnungen und Häuser verkaufen. Name: „Boklok“ („wohne clever“). Ikea bringt gemeinsam mit der Fertighausfirma Bien-Zenker Holzhäuser auf den Markt. Bien-Zenker soll als Lizenzpartner Grundstücke akquirieren, die Häuser bauen und verkaufen. 180.000 Euro soll ein etwa 100 Quadratmeter großes Ikea-Haus kosten – ohne Keller aber inklusive Grundstückskosten. In Dänemark, Norwegen und Schweden hat Ikea schon 4.000 eigene Häuser verkauft.

■  Der Plan: Am 3. März soll das erste Musterhaus auf dem Ikea-Gelände im hessischen Hofheim präsentiert werden, wo Ikea seine Deutschlandzentrale hat. Bis Jahresende sollen in Deutschland 60 Reihenhäuser und zweigeschossige Mehrfamilienhäuser entstehen. Skandinavischer Stil, Holzrahmenbauweise. Energiestandard gemäß den Anforderungen der staatlichen KfW-Bank für einen günstigen Kredit (Förderstufe KfW 70). Wegen der hohen Nachfrage, gibt Bien-Zenker an, sollen die ersten Häuser per Losverfahren verkauft werden.

■  Der Widerstand: In Hofheim sollen die ersten achtzehn Wohneinheiten im Ortsteil Langenhain errichtet werden. Die Stadt muss dafür den Bebauungsplan ändern. Moment mal, sagten einige Stadtverordnete, die die Boklok-Architektur ablehnen. Sie verwiesen den Entwurf an den Planungsausschuss zurück.

Es geht nur um die Gestaltung. Ikea muss uns ja nur überzeugen, dass die Häuser ordentlicher sind, als sie auf den ersten Eindruck scheinen. Man kann das doch auch so machen, dass da richtig peppige Ikea-Häuser entstehen, in denen sich junge Familien wohl fühlen. Leute sollen nicht in Häusern wohnen, wo andere Leute vorbeigehen und sagen: Wie wohnen denn die!

In Skandinavien stehen schon Ikea-Häuser. Spinnen die?

Nein. Aber es kommt darauf an, welche Baustile in den einzelnen Ländern vorherrschen. Bei uns sind die Häuser darauf angelegt, dass sie für die Ewigkeit gebaut sind. Andere Länder pflegen da einen anderen Wohnstil.

Haben Sie schon mal ein Billy-Regal zusammengebaut?

Einige. Das schaffe ich. Kein Problem. Wir sind ja sehr froh, dass wir Ikea hier in Hofheim haben.

Und wie geht’s jetzt weiter?

Wir werden das Ganze in der nächsten Ausschusssitzung Anfang März noch mal vorgestellt bekommen. Mit ein paar bunten Bildern und vielleicht einem Modell. Dann wird das im Ausschuss entschieden, dann geht’s in die Stadtverordnetenversammlung. Und dann könnten die Kinder von Bullerbü schon bald in Langenhain spielen.

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