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Hilfe, Mutter will über Sex reden

Sexualaufklärung ist notwendig und peinlich zugleich. Das Klassenzimmertheater sucht neue Wege: vom dramatischen Auftritt im beginnenden Unterricht über eine Quizshow bis hin zu Gesprächsrunden. Die Finanzierung ist aber unsicher

VON JUTTA BLUME

Gerade hat die Unterrichtsstunde begonnen, da klopft es an der Tür der Klasse 7b. Eine Frau in elegantem Kostüm tritt herein, in der Hand eine Schultasche. Zögerlich folgt ihr ein Mann in blauer Arbeitshose. Offensichtlich ist ihm der Auftritt der Frau peinlich. „Wir haben jetzt alle Klassen durch, irgendwo muss Lisa doch stecken“, sagt sie. Die Schülerinnen und Schüler, erfreut über die ungewohnte Unterbrechung des Unterrichts, erfahren von dem Elternpaar bald, dass Lisa heute Nacht nicht nach Hause gekommen ist, und noch schlimmer, dass sie seit neuestem einen Freund hat. „Vielleicht ist sie ja jetzt schwanger und traut sich deswegen nicht in die Schule“, fürchtet die Mutter.

Das Hereinplatzen der besorgten Eltern ist der Auftakt des Theaterstücks „Kann ich vom Knutschen schwanger werden?“. Dabei geht es zunächst um die Peinlichkeit, überhaupt über Sexualität zu reden. Lisas Eltern, Sabine und Stefan, lassen bei ihrem Auftritt keine heikle Situation aus. Stefan spielt nach, wie er aus Versehen eine Schachtel Tampons seiner Tochter im Bad verstreute. Sabine überlegt, wie sie ein Gespräch über Verhütung beginnen könnte, und wuschelt ihrer Versuchsperson dabei unpassend mütterlich durchs Haar.

Später leiten sie zu einer Quizshow unter dem Titel „Ich weiß Bescheid“ über. „Was ist eine sichere Verhütungsmethode, die auch vor Geschlechtskrankheiten schützt?“, will Stefan wissen. Etwa die Hälfte der Klasse ist für die Pille, die andere für das Kondom. Nach der Show schließt sich eine nach Mädchen und Jungen getrennte Gesprächsrunde zum Thema Sexualität an.

Das Theaterstück im Klassenzimmer haben die Sozialpädagogen Heinke Castagne und Thorsten Böhm selbst geschrieben und im vergangenen Jahr bereits vor 600 Berliner Schülerinnen und Schülern gespielt. Sie kamen auf die Idee, als sie über die steigende Zahl von Teenagerschwangerschaften lasen. 12 Prozent der Mädchen und 15 Prozent der Jungen gaben bei einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) an, beim ersten Mal nicht verhütet zu haben. Als Grund nannten sie, dass die Situation des Geschlechtsverkehrs völlig überraschend gekommen sei. Da Jugendliche immer früher geschlechtsreif werden und auch in immer jüngerem Alter zum ersten Mal Geschlechtsverkehr haben, sieht die BZgA auch einen Bedarf zu früherer Sexualaufklärung.

Unsicherheit kann dazu führen, dass Jugendliche beim ersten Mal auf das Kondom verzichten. Thorsten Böhm und Heinke Castagne greifen das Problem in einem Sketch auf, in dem ein Junge in der Apotheke steht und zum ersten Mal Kondome kaufen möchte. Vor lauter Überforderung fällt er schließlich in Ohnmacht.

„Sex ist ein breites Thema, uns geht es nicht nur darum, Verhütungsmethoden zu erklären“, sagt Heinke Castagne. Die Jugendlichen sollen dazu gebracht werden, möglichst viel über ihre Unsicherheiten zu sprechen. Das fällt den Mädchen im Allgemeinen leichter. „Sie fragen mich sehr persönliche Dinge“, berichtet sie. Dabei geht es um Menstruation, Sexualpraktiken, Verhütungsmethoden und das Jungfernhäutchen. Die Jungen geben sich dagegen cooler, behaupten eher, schon alles zu wissen, wobei ihr Wissen meist aus Zeitschriften und Talkshows stammt.

Die beiden Schauspieler des Klassenzimmertheaters wurden von der Berliner Beratungsstelle „Balance“ darauf vorbereitet, was sie in einem Gespräch mit den Jugendlichen erwarten würde. Balance bietet selber Beratungen für Kinder und Jugendliche verschiedener Altersstufen an. Die Schulklassen müssen aber dazu in die Beratungsstelle kommen.

Schulbesuche bieten dagegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialmedizinischen Dienste an. Und Jugendliche, die sich anonym informieren möchten, finden etwa auf der Internetseite der BZgA www.loveline.de Antworten auf ihre Fragen.

Die Auftritte des Klassenzimmertheaters sind nur durch eine externe Finanzierung möglich. So wurde es letztes Jahr von der Aktion Mensch und dieses Jahr von der Familien- und Jugendstiftung unterstützt. Allerdings verlangt Letztere eine Eigenbeteiligung der Schulen, deren Höhe bislang noch nicht abschließend geklärt werden konnte.

Das Stück „Kann ich vom Knutschen schwanger werden?“ wird zunächst für die Dauer des laufenden Schuljahres gespielt und kann von interessierten Lehrerinnen und Lehrern angefragt werden.

Kontakt: Heinke Castagne/Thorsten Böhm, Tel. (0 15 20) 5 35 67 53, Klassenzimmer_Theater@web.de

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