: Odenwaldschule: Schwere Vorwürfe gegen Behörden
MISSBRAUCH Das hessische Kultusministerium und die Staatsanwaltschaft sollen untätig geblieben sein
TILMAN JENS, PUBLIZIST
FRANKFURT dpa/apn | Nach dem Missbrauchsgeständnis des ehemaligen Schulleiters der Odenwaldschule reißt die Kritik an den Behörden nicht ab. Ein Opferanwalt erhob schwere Vorwürfe gegen das hessische Kultusministerium und die Staatsanwaltschaft. Beide Behörden seien 1999, als die Übergriffe bekannt wurden, untätig geblieben, sagte der Jurist Thorsten Kahl der Frankfurter Rundschau.
Die Leiterin der Odenwaldschule, Margarita Kaufmann, hat nachträgliche Sanktionen gegen überführte Lehrer angeregt. Bei den überwiegend privat beschäftigten Lehrern der Odenwaldschule könne die Betriebsrente reduziert werden, sagte sie. „Ich würde mich dafür auf jeden Fall aussprechen.“
Am Freitag hatte der frühere Schulleiter Gerold Becker (73) in einem Brief sexuelle Verfehlungen zugegeben und die Schüler um Entschuldigung gebeten. Bisher haben sich 33 ehemalige Schüler als Opfer von Übergriffen zwischen den Jahren 1966 und 1991 gemeldet. Beschuldigt werden außer Becker, der von 1969 bis 1985 an der Schule war, sieben weitere Lehrer. Dazu soll auch ein homosexueller Musiklehrer zählen, der mit seinen Schülern in einer Wohngemeinschaft lebte, schreibt Tilman Jens, Sohn der Publizisten Walter und Inge Jens, im Spiegel. Der Lehrer habe 25 Jahre an der Schule gelehrt. Jens sagte, die Odenwaldschule sei eine geschlossene Gesellschaft, ein hermetischer Zirkel gewesen.
Unterdessen haben sich die 21 reformpädagogischen Internate in Deutschland nach einem Bericht der FAZ verpflichtet, jeden sexuellen Übergriff anzuzeigen und die Täter sofort zu entlassen. Darauf habe sich die Vereinigung Deutscher Landerziehungsheime (LEH) geeinigt, zu der auch die Odenwaldschule gehört. Sie wollen zudem einen Historiker beauftragen, der die Geschichte der Internate auch mit Blick auf mögliche Verfehlungen prüfen soll.
Die Bundestagsfraktion der Grünen fordert einen weit gehenden Maßnahmenkatalog, um die vielen Fälle von Kindesmissbrauch aufzuarbeiten und neue zu verhindern. Notwendig seien ein Entschädigungsfonds für Missbrauchsopfer, in den alle betroffenen Einrichtungen einzahlen, ein unabhängiger Ansprechpartner, eine Verlängerung der Verjährungsfrist und eine unabhängige Kommission zur Aufklärung, sagte Fraktionschefin Renate Künast der B.Z.
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