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REVIVAL Die Fassbrause feierte diesen Sommer ihr Comeback. Mit dem Berliner Original hat sie zuweilen nicht viel zu tun. Die Brauereien reagieren auf den sinkenden Bier-Absatz

Geschmacks-Test

■ Auf dem Prüfstand: Veltins (Apfel), Flensburger (Zitrone), Krombacher (Zitrone).

■ Erste Testperson, der Bier generell nicht schmeckt: Er mochte erwartungsgemäß den deutlichen Hopfen-Geruch von Veltins und Flensburger nicht, die beide ihrer Fassbrause alkoholfreies Bier beimischen. Beide Sorten allerdings riechen mehr nach Bier, als dass sie danach schmecken. Ihr Aroma breitet sich im Gaumen und weniger auf der Zunge aus. Weil das Produkt mehr süß als bitter schmeckt, trank die Testperson die Flaschen aus.

■ Zweite Testperson, die Bier gerne trinkt. Ihr schmeckte die Veltins Fassbrause am besten. Der Geschmack war ausbalanciert, der herbe Geschmack setzte sich von der süßen Unterströmung ab. Flensburger fand sie trinkbar, es schmeckte süßlicher, roch aber herber als Veltins.

■ Krombacher Zitrone: Beide Testpersonen konnten sich für dieses Produkt nicht erwärmen, das nur mit Hopfen aber ohne alkoholfreies Bier gebraut wird. Dem Biertrinker unter den Probanden war das Produkt schlicht zu süß. Der Abstinenzler dagegen attestierte dem Getränk einen „Aas-Geruch“ und fühlte sich daraufhin außerstande den Geschmacktest durchzuführen.  EFK

VON E.F. KAEDING

Sie steht auf Augenhöhe als Sixpack in urigem Design eingeklemmt zwischen Malzbier und Bier-Mixgetränken: die Fassbrause. Diesen Sommer erlebte sie ihr Comeback im großen Stil. Groß, weil neben kleinen Privatbrauereien nun auch Branchengrößen wie Bitburger, Veltins, Krombacher und Holsten auf den Trend aufsprangen. Zusammen hievten sie das eigentlich alkoholfreie Frucht-Kräuter-Erfrischungsgetränk zurück ins Supermarktregal.

Doch mehr Konkurrenz heißt mehr Sorten und bedeutet Veränderung. Im Zuge der Kommerzialisierung stellt sich die Frage, was das Traditionsgetränk heute eigentlich ist: unschuldige Limo für Kinder, hipper Koffeinersatz, oder Biermischgetränk für Erwachsene?

Bier-Ersatz für den Sohnemann

Frisch-herb, das war der Geschmack der Fassbrause. Erfunden vom Chemiker Ludwig Scholvien Anfang des 20. Jahrhunderts in Berlin. Zusammengerührt nur aus Wasser, Malz, Apfelessenz und Süßholz ähnelte es farblich dem goldbraunen Schimmer von Bier. Es heißt, Scholvien hätte die Brause für seinen kleinen Sohn ersonnen, damit der Steppke im Sommer sich in den Biergärten neben den Alten und ihren Pilskrügen ein bisschen wie unter Gleichen fühlen durfte. Daher kommt auch der Ausdruck „Sportmolle“, von berlinerisch „Molle“ wie Bier. Ein Getränk, das zwar aussah wie Bier, ähnlich schmeckte, aber keines war.

Weil die Bezeichnung Fassbrause als Gattungsbegriff nicht geschützt ist, ist auch die Zusammensetzung nicht in Stein gemeißelt. Fassbrause gibt es spitzig-keck mit Limettengeschmack, auf Holunder- und Kräuter- oder schlicht Apfelbasis. Unter dem Motto „Geschmack wird erwachsen“ versucht Bitburger gar „Rhabarber“ unter die Leute zu bringen.

Für Mainstream-Verweigerer bietet die Berliner Brauerei Südstern ihre „Kreuzbär“-Fassbrause inklusive eines Schusses Koffein an. Sie soll im Kampf gegen die „pseudoschicken Lifestyle-Limonaden“ der Stadt antreten. Im Norden der Republik ploppt Flensburger mit Fassbrause in Zitrone – dem gleichen Gusto, mit dem die Privatbrauerei Gaffel das Revival des Traditionsgetränks 2010 offiziell in Gang setzte.

Bier ist out

Der Einfall kam zur rechten Zeit. Denn der durchschnittliche Bierkonsum der Deutschen sorgt für Besorgnis bei den Brauereien. Seit Jahren befindet er sich im Sinkflug. Von 118 Litern (2003) schrumpfte der Bierkonsum auf magere 106.6 Liter im Jahr 2011. Sollte das entspannende Feierabendbier in der auf Dauerwirkkraft getrimmten Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts keinen Platz mehr haben?

Tatsache ist, dass der Absatz von alkoholfreien Erfrischungsgetränken wie Fassbrause in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen ist. 2010 lag der Pro-Kopf-Verbrauch bei 118,2 Litern und stieg bis 2012 um mehr als drei Liter auf 121.6. Das belegen Daten der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke (wafg). Das Getränk sei „Trendsetter“, analysiert die wafg. Es macht da weiter, wo Bionade vor einigen Jahren stand, bevor ihr Absatz durch den Verkauf an das Radeberger-Unternehmen, Deutschlands größter Brauereiengruppe, abebbte.

Wachstumsmarkt „Moderner Mensch“

Das die Fassbrause so kräftig im Markt einschlagen würde, davon waren gleichwohl selbst die Hersteller überrascht. „Die enormen Absatzsteigerungen“ hätten selbst die kühnsten Optimisten verblüfft, sagt Thomas Deloy, Marketing-Geschäftsleiter von der Privatbrauerei Gaffel gegenüber der Branchenzeitung Getränkefachgroßhandel.

Die Unternehmen wähnen sich dennoch erst am Anfang ihrer Erfolgsgeschichte. Denn der ernährungspsychologische Bereich, so die übereinstimmende Meinung, biete weitere Wachstumschancen. Die Veltins-Marketingabteilung ist überzeugt, dass man die Antwort auf die alkoholfreie Verbrauchernachfrage gefunden hätte.

Im Werbevokabular klingt das ausformuliert so: Fassbrause, das ist der „leicht gesüßte Durstlöscher für moderne, aktive, ernährungs- und gesundheitsbewusste Menschen“ (Gaffel). Fassbrause hat fast um die Hälfte weniger Kalorien als Apfelsaft oder Cola. Sie ist die „kalorienarme“ Alternative zu den Zuckerbomben. Angaben wie „22 kcal pro 100 Milliliter, isotonisch, alkoholfrei, mit Vitamin C“ sind markant im Design der Etiketten verankert. Die Fassbrause sei ein „glaubwürdiges“ Produkt, glaubt Veltins. Und dass es dabei auch um die Reinheit und Natürlichkeit der Zutaten gehe – ein Marketingansatz, der sich auch in der Werbung zeigt.

Ruhe und Natürlichkeit

Ob „Fassbrause“ in einer Typografie, bei der Blockbuchstaben durchzogen sind mit Holzmaserungen (Krombacher), zwei Fassbrause-Flaschen auf einer Picknickdecke neben Camembert und Baguette (Veltins), oder eine Fassbrause-Kartonverpackung in Alte-Holzkisten-Optik – die Bildsprache spricht den Zeitgeist an. Inmitten eines rauschenden digitalen Jahrzehnts sehnt sich der Mensch nach Entschleunigung.

Kritik am Restalkohol

Doch bei all dem Erfolg gibt es auch Kritik. Um den klassischen herben Geschmack der Fassbrause zu kreieren, mischen einige Brauereien ihrem Produkt bis zu vierzig Prozent alkoholfreies Bier zu. Darf etwas Brause heißen, wenn es bis zu 0,2 Volumenprozente Restalkohol enthalten kann? Auf die Frage schreibt die Verbraucherzentrale: „Bei einer Brause erwarten Verbraucher zu Recht ein harmloses Erfrischungsgetränk, das auch für Kinder oder Menschen, die auf Alkohol verzichten möchten oder müssen, geeignet ist.“ Darüber würden die Kunden durch die Deklarierung „alkoholfrei“ getäuscht.

Zwar beteuert die Branche in einer Stellungsnahme, dass der Alkoholanteil geringer ist als in manchen Säften und für Kinder damit harmlos. Doch das macht die Causa umso fraglicher. Kritiker befürchten, Kinder könnten sich an den herben Geschmack gewöhnen und damit noch früher zum Bier greifen als jetzt schon. Jedenfalls kann die Verbraucherzentrale die Frage, ob Fassbrause nun ein Biermischgetränk oder eine Brause ist, derzeit „nicht eindeutig beantworten“.

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