piwik no script img

KOMMENTAR ENERGIEWENDEKohle-Gabriel

Die SPD schafft es, ein Programm für die Energiewende vorzustellen, in dem nicht ein einziges Mal das Wort Kohle vorkommt – obwohl der Wunschkoalitionspartner, die Grünen, bis 2030 in Deutschland aus dem fossilen Strom aussteigen will. Tatsächlich schaffen es die beiden Parteien, ziemlich geschickt zu verbergen, dass sie in der Energiepolitik kaum Gemeinsamkeiten haben. Zum Atomausstieg zu stehen, den Schwarz-Gelben Chaos und Anarchie in Sachen Energiewende vorzuwerfen, eine bessere Koordination zwischen Bund und Länder zu versprechen und Bürger für ihr Engagement zu loben – das sind nichts als Allgemeinplätze.

Beispiel Sigmar Gabriel: Der SPD-Parteivorsitzende wäre mit seinen Ansichten energiepolitisch gut in der CDU aufgehoben. Der Ex-Umweltminister ist auf dem besten Weg, den Ex-SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement als obersten parteiinternen Kohlelobbyisten abzulösen. Gabriel kämpft für Lausitzer Braunkohlestrom, als ob es völlig wurst ist, was im Zehn-Punkte-Plan zur Energiewende seiner Genossen Steinbrück und Machnig steht: Man solle die externen Kosten der Stromproduktion „vollständig integrieren“.

Das kann man getrost unter Wahlkampfgewölk abtun – würde man die Umweltschäden der Braunkohle auf den Strompreis aufschlagen, wären die Kraftwerke sofort vom Netz. Kohlekraftwerke seien auch in den kommenden Jahrzehnten nicht nötig, prescht Gabriel jetzt in einem Interview der Wirtschaftswoche weiter vor.

Dagegen sei „Je mehr, desto besser“ beim Ausbau erneuerbarer Energien falsch. Im Kontext gelesen ist das gar nicht so unrichtig – Gabriel fordert vor allem, den Ausbau zwischen den Bundesländern und mit den Stromnetzen zu koordinieren. Zudem warnt er – ganz im Einklang mit BDI und CDU-Wirtschaftsflügel – vor einer Deindustrialisierung des Landes. Angeblich wegen schwarz-gelber Versäumnisse. Entscheidend aber ist der tonale Zusammenhang: Kohle ist billig, erneuerbare Energien teuer, die Industrie leidet.

Energiewende ist da kein Ziel, für das man leidenschaftlich kämpft, sondern ein Problem, das man schon irgendwie regelt. Die SPD übt sich energiepolitisch längst in Großer Koalition. INGO ARZT

Zwischenstand SEITE II

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen