: Die Angst vor – was eigentlich?
ASYL In Pankow treffen sich AnwohnerInnen, um über ein geplantes Flüchtlingsheim zu sprechen. Dazu aufgerufen wurde anonym
Ein leichter Nieselregen setzt ein, als der kleine Spielplatz zwischen der Masurenstraße und der Samländischen Straße in Pankow immer voller wird. Durch alle Parkeingänge strömen Menschen, am Ende sind es mehr als hundert, die am Sonntagabend zusammenkommen. „Das soll hier nicht enden wie in Hellersdorf, deshalb wollen wir uns früh genug austauschen“, sagt Gerhard Hochmuth. Wie die anderen Anwohner ist auch er hier, um über ein geplantes Flüchtlingsheim zu sprechen.
Im Dezember sollen 220 Asylsuchende in ein ehemaliges Bürogebäude am U-Bahnhof Vinetastraße ziehen. Sie seien über das Vorhaben aber nicht informiert worden, beklagen sich manche. Sozialstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD) habe, so heißt es auf einem Flugblatt, das kursiert, zunächst nur „dezentral informieren“ wollen.
Das reicht einigen offenbar nicht: Zu dem Treffen im Park hatte eine anonyme Gruppe mit ebendiesen Flugblättern aufgerufen. Zuletzt war die nebulöse Ankündigung des „Erfahrungs- und Meinungsaustauschs ohne rechte Hintergedanken“ auch auf der Seite der Pankower NPD erschienen, linke Gruppen hatten dagegen mobilisiert.
Auch am Sonntag fehlt von den Initiatoren jede Spur. Aktivisten, aber auch Mitglieder der Grünen und Piraten stehen unschlüssig umher. Es ist mehr ein Austausch der fragenden Blicke als einer der konstruktiven Argumente: Wer hat zu dem Treffen aufgerufen – und zu welchem Ziel? Soll gegen das Heim mobilisiert oder sollen den Anwohnern nur Ängste genommen werden?
Einige Männer setzen sich in einer Ecke des Parks auf eine Tischtennisplatte. Die Stimmung auf dem Spielplatz wird unruhig – sind am Ende doch Neonazis gekommen? Auch die Diskussion untereinander wird lauter: Eine ältere Dame meint, man solle doch an die Kinder in dem Stadtteil denken, bevor man ein Flüchtlingsheim plane. „Sie haben Angst vor etwas Imaginärem“, entgegnet eine Frau.
Nach rund 20 Minuten wird die unangemeldete Versammlung von der Polizei aufgelöst. Die Beamten bitten die Anwesenden auf eine Grünfläche in der Nähe, dort könne man weiterdiskutieren. Der Einsatzleiter verweist auf die Parkordnung, die Versammlungen auf öffentlichen Grünflächen verbiete. „Wir fanden es etwas übertrieben, dass die Polizei geräumt hat“, sagt Anwohner Hochhuth später. Man habe ja nur verhindern wollen, dass die Situation mit dem Heim „hochgepusht wird“.
Auf der kleinen Grünfläche verläuft sich die Versammlung schnell. Vereinzelt tauschen BürgerInnen E-Mail-Adressen aus, um im Dezember ein Willkommensfest für die Flüchtlinge auf die Beine stellen zu können. „Das war schon der Beginn eines konstruktiven Austauschs“, findet Jan Schrecker, der für die Pankower Piraten in der Bezirksverordnetenversammlung sitzt.
CEM GÜLER
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