: Das Leben ist kein Campingplatz
FLÜCHTLINGE Die grüne Sozialsenatorin denkt über Zelte als Flüchtlingsunterkünfte nach. Die anderen Parteien sind strikt dagegen – selbst die Grünen reagieren zurückhaltend
Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin
VON JURIK ISER
Bremen erwartet in diesem Jahr 400 neue Flüchtlinge und sucht für sie nach Unterkünften. Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) erklärte jetzt, dass im Notfall dafür auch Zeltplätze in Erwägung gezogen werden müssten. SPD, CDU und Linke lehnen eine derartige Lösung jedoch ab.
„Wir müssen Notmaßnahmen vorbereiten für den Fall, dass es in Syrien zu weiteren kriegerischen Auseinandersetzungen kommt“, erklärte Stahmann und begründete so ihre Entscheidung, Flüchtlinge unter Umständen auch in Zelten unterzubringen. Das sei aber nur für den äußersten Notfall geplant, auf den man jedoch vorbereitet sein müsste.
Ein möglicher Ort könnte der alte Zeltplatz am Unisee sein, bestätigte die Sozialbehörde am Donnerstag. „Der Platz erfüllt die technischen Vorrausetzungen für eine sofortige Nutzung“, sagte Sprecher Bernd Schneider. Besonders wichtig sei, dass dort sanitäre Anlagen vorhanden seien. Der Zeltplatz sei zwar verkehrstechnisch nicht besonders gut angebunden, die perfekten Voraussetzungen erfülle jedoch kein Standort, betonte Schneider. Jedoch: Noch vor vier Wochen hatte der grüne Sozialstaatsrat Horst Frehe gesagt, Unterkünfte in Stadtteilen ohne Infrastruktur seien nicht gewünscht. Nach aktuellem Stand, so Schneider indes, sei der Unisee bisher die einzige geeignete Stelle, um Flüchtlinge in Zelten unterzubringen.
Die ParteikollegInnen der Sozialsenatorin wollten von den Plänen gestern allerdings noch nichts wissen. „Eine Unterbringung in Zelten ist für uns derzeit keine Option“, sagte Grünen-Sprecher Matthias Makosch. Er sei zuversichtlich, dass es zu einer solchen Notsituation nicht kommen werde.
Klaus Möhle, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, verwies auf das Ziel aller Parteien, eine Zelt-Unterbringung auf jeden Fall zu verhindern: „Die Flüchtlinge haben ein Recht auf Wohnraum.“ Das könne mit Zelten nicht gleichgesetzt werden. Möhle fordert stattdessen mehr Einsatz beim Bau von Unterkünften. Die geplanten Flüchtlingsheime in Obervieland könnten seiner Ansicht nach viel schneller fertig gestellt werden als geplant. „Wenn man es wirklich will, schafft man das in einem halben statt in drei Jahren“, so Möhle.
Deutlicher Gegenwind kommt auch von der Linken. „Bei aller Not, die wir haben: Das geht zu weit“, sagt Kristina Vogt, Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion in der Bürgerschaft, und bezeichnet den Vorschlag Stahmanns als „absolutes No-Go“. Sie glaube aber, dass der Vorschlag eher ein Druckmittel sei, damit die Stadtteilbeiräte aus Walle und Gröpelingen der Schaffung von Flüchtlingsunterkünften zustimmten. Bevor Flüchtlinge in Zelten untergebracht werden, so Vogt, könne auch auf Hostels ausgewichen werden.
Auch die sozialpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion Sigrid Grönert schlägt vor, eher Schulen umzufunktionieren als Flüchtlinge in Zelten unterzubringen. Grönert wirft der Senatorin vor, zu spät auf das Problem der Flüchtlingsunterbringung reagiert zu haben. Andernfalls wäre die Zelt-Debatte überhaupt nicht aufgekommen.
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