der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR:
… taugt nichts. So scheint es jedenfalls, hört man sich die Debatte der Neuen Herren Schirrmacher und Matussek an und ihr Wehklagen über den Mangel an Großfamilien und Nachgeborenen. In der Tat, schwule Männer zeugen in der Regel keine Kinder, und ihre Wahlfamilien werden durch alles mögliche zusammen gehalten, nur nicht durch die berüchtigten Blutsbande.
Kein Wunder also, dass für derlei demografische Blindgänger kein Platz ist im aktuellen Biologismus-Talk. Auf die Spiegel-Frage, was er seinem 14-jährigen Sohn für die Zukunft rät, macht Schirrmacher eine knallharte Ansage: „Suche dir so schnell wie möglich eine Frau, sei nett zu ihr, denn um Frauen wird gekämpft werden müssen in der Zukunft, weil sie knapp werden! Und gründe rechtzeitig eine möglichst große Familie.“
Nein, ein anderer Lebensentwurf kommt hier nicht vor, und man kann bei dem Vater für Schirrmacher-Junior nur hoffen, dass ihm alles Gleichgeschlechtliche fremd ist.
Dennoch wird der homosexuelle Mann – oder der, den man dafür halten kann – geliebt. Von Frauen. Jüngstes Beispiel: Bill Kaulitz von Tokio Hotel. Nicht, dass er schwul wäre, aber je deutlicher er optisch sein Geschlecht verlässt, umso mehr weibliche Fans geben sich der Ohnmacht hin. Dass der Junge geschminkt ist wie einst Liz Taylor als Kleopatra, das gefällt den Mädels, nimmt es ihnen doch alle Angst vor dem anderen Geschlecht.
Das war schon früher so. Da sehnten sich die Bravo-Leserinnen nach Thomas Fritsch, bis der abgelöst wurde von David Cassidy. „Girls in der Pubertät mögen keine haarigen Typen“, konstatierte der frühere Chefredakteur des Teenie-Magazins, Gert Braun: „Vor der Männlichkeit empfinden sie Scheu und Angst.“
Kürzlich war Philip Kirkorov zu Gast im Berliner Friedrichstadtpalast, ein Feiertag für die russische Gemeinde der Hauptstadt, schließlich ist Kirkorov des Ostens größter lebender Popstar. Er sah aus wie eine Mischung aus Georgette Dee, Boy George und Iwan Rebroff an diesem Abend, und die Frauen liebten ihn dafür. Sie hingen an seinen Lippen und sangen jede Zeile mit. Seine barocke Erscheinung, gekleidet in wallende Gewänder und seidene Blusen, abenteuerlich verziert mit glitzernden Applikationen, hielt ihn fern von jeder männlich-heterosexuellen Anmutung und brachte die Frauen im Saal zum Träumen und Kreischen. Und Frauen meint hier kleine Mädchen von sechs bis hin zu eleganten Damen von 65. Viele von ihnen waren nicht ohne ihre Väter und Ehemänner gekommen, doch die wirkten nur als erzwungene Begleiter, die keine Hand rührten, um dem Idol ihrer Frauen Respekt zu zollen. Eher verwirrt wirkten sie, weil ihre ganze Macho-Attitüde nichts mehr zählte angesichts der Bühnenerscheinung jenseits der Geschlechter.
So also ist das mit den Nichtmännern, zuständig sind sie für das Gefühl, das romantische Liedgut und den verspielten Geschmack in Kleiderfragen. Und je mehr dies den Frauen fehlt beim realen Mann, umso größer ist der Zulauf bei den Jungs zwischen allen Stühlen. Fest im Sattel dagegen sitzen Schirrmacher und Matussek, die Beine breit gespreizt und halten sich an ihren Hosenträgern fest und an ihrer Macht. Bis dass sie platzen.
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