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Kein Wille zur Einigung

Bei den Metallern stehen die Zeichen auf Streik: Nachdem die Arbeitgeberseite kein neues Angebot vorgelegt hat, beantragt der IG-Metall-Bezirk Küste die Urabstimmung zum Streik

von KAI VON APPEN

Die Weichen in der Metall- und Elektroindustrie im Norden stehen auf Streik: Trotz Warnstreiks sind gestern die Tarifgespräche für die 150.000 MetallerInnen zwischen Rostock und Emden nach einer Stunde ohne Ergebnis abgebrochen worden.

Noch am Nachmittag erklärte daraufhin die große Tarifkommission des IG-Metall-Bezirks Küste die Verhandlungen einstimmig für gescheitert. Beim Vorstand der Gewerkschaft in Frankfurt beantragte sie die Urabstimmung für einen Arbeitskampf, über die am kommenden Dienstag entschieden werden soll. Zugleich wurden die Belegschaften aufgefordert, betriebliche Streikleitungen zu bilden.

Begleitet wurden die Verhandlungen in einem Hotel in der Hamburger City gestern von massiven Protesten von mehr als 3.000 MetallerInnen, die mit Sirenen und Trillerpfeifen vor dem Tagungsort aufmarschierten. Bereits mit Beginn der Frühschicht hatten sich 500 Beschäftigte der Thyssen-Werft Blohm+Voss mit einem Fackelumzug vom Hafen aus auf den Weg in die Innenstadt gemacht. Andere Belegschaften – vornehmlich aus Hamburger Betrieben – reisten mit Bussen an. Dazu waren Warnstreikende auch aus anderen Küsten-Regionen – so von der Meyer-Werft aus Papenburg – zum Protest an die Elbe gekommen.

IG-Metall-Bezirksleiterin Jutta Blankau setzte den im Nordverbund organisierten Arbeitgebern ein Ultimatum, bis kommenden Montag „ein Angebot vorzulegen, dass man noch am Verhandlungstisch zu einer Lösung kommen kann“. Der Verhandlungsführer der Gegenseite, Ingo Kramer, hatte indes nur das bereits in Nordrhein-Westfalen verworfene Angebot von 1,2 Prozent mehr Lohn gemacht, ohne jedoch die Ausbildungsvergütungen anheben zu wollen. Blankau machte gestern deutlich, dass die Gewerkschaft zum Streik bereit sei. „Wir wollen keinen Arbeitskampf“, sagte sie, „wir scheuen uns aber auch nicht vor ihm.“

Vieles spricht dafür, dass die IG Metall Küste – anders als der Bezirk Niedersachsen – im Rahmen der bundesweiten Arbeitskampfstrategie eine Schlüsselrolle spielen kann und wahrscheinlich in die zweite Streikphase einbezogen wird. So kann im Norden schnell Druck erzeugt werden, weil Werften oder auch Luftfahrtunternehmen wie Airbus über dicke Auftragsbücher verfügen. Streiks haben dafür aber nicht unmittelbar auch Fernwirkung: So können andernorts kaum Belegschaften ausgesperrt werden, weil es zu Produktionsstilllegungen aufgrund von Materialengpässen kommt, wie man das aus der Automobilindustrie kennt. Solche Ausgesperrten nämlich würden ohne Streikgeld und nach dem Sozialgesetzbuch III auch ohne Kurzarbeitergeld dastehen.

Bei der IG Metall sind sich viele Funktionäre über die Bedeutung der derzeitigen Tarifauseinandersetzung im Klaren: „Es geht um weitaus mehr als die läppische Lohnforderung von fünf Prozent“, warnt Jörn Junkers, Sprecher der Vertrauensleute bei Airbus in Hamburg-Finkenwerder. „Es geht darum, dass sie uns kleinkriegen wollen.“ Wenn die Gewerkschaft den Konflikt bestehe, könnten viele negative Entwicklungen künftig verhindert werden. Wenn sie ihn verliere, so Junkers‘ Befürchtung, „werden wir eine andere Republik haben“.

Schon der vergangene Bundestagswahlkampf und die Tarifauseinandersetzung im Öffentlichen Dienst hätten gezeigt, so ein anderer IG Metaller, dass es „Kräfte“ gebe, die die Tarifautonomie, das Streikrecht und die Flächentarifverträge abschaffen wollten und überhaupt auf einen „Systemwechsel“ hinarbeiteten – sodass die Belegschaften über ihre Betriebsräte künftig nur noch als Bittsteller dastehen könnten.

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