: Bürger gegen Nazis
VON ANDREAS SPEIT
Konstantin Wecker hatte das erste Wort. „Jetzt auf die Straße, lacht sie aus, die braune Idiotie“, intonierte der eigens angereiste Liedermacher beim „1. Mai gegen Rechts“ in Rostock. Über 4.000 Menschen waren zum Fest auf dem Neuen Markt gekommen. Bei strahlendem Sonnenschein protestierten sie ab Mittag in der Hansestadt. 40 Störer, die mit Steinen und Flaschen auf Sicherheitskräfte warfen, wurden festgenommen – genauso wie 200 gewaltbereite Autonome, die von der Polizei eingekesselt wurden.
Vor dem Gewerkschaftshaus in der August-Bebel-Straße demonstrierte unterdessen nicht der DGB, wie am 1. Mai sonst üblich, sondern die NPD. Das Oberverwaltungsgericht Greifswald hatte die Kundgebung erlaubt. Schon seit geraumer Zeit verfolgen die Rechtsradikalen die Strategie, ihre Aufmärsche sehr frühzeitig für bestimmte Plätze anzumelden und damit anderen Organisatoren wie etwa den Gewerkschaften zuvorzukommen.
So blieb den Gewerkschaften nur, aus den Fenstern ihres Hauses Transparente herauszuhängen mit Aufschriften wie „Kein Sex mit Nazis“ oder „Rechtsweg ausgeschlossen“. Vor dem Gebäude wetterte Udo Pastörs, NPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im September, vor mehr als 1.000 Anhängern gegen die Gewerkschaften, die „längst mit dem internationalen Finanzkapital zusammenspielen“.
Zu der Kundgebung in Rostock bot die Partei auch ihren neuen Star auf, das frühere WASG-Vorstandsmitglied Andreas Wagner. Der „sozialpolitische Berater“ der sächsischen NPD-Landtagsfraktion schimpfte vorab vor der Presse über die „Postenschacherei der WASG und PDS“. Diese Linken betrieben „Sozialabbau sondergleichen“ und seien auf dem „Globalisierungstrip“.
Zu der Gegenveranstaltung mit Wecker hatten mehr als 20 Organisationen aufgerufen, darunter Gewerkschaften und Kirchen. Auch die antifaschistischen Initiativen, die getrennt demonstrieren wollten, folgten der Einladung des DGB, sich am Protestzug zu beteiligen. Zusammen zogen sie zum Fest in die Innenstadt. Beteiligt waren nach Schätzungen zwischen 5.000 und 10.000 Menschen.
„Jede Form des Widerstands ist nötig“, erklärte DGB-Nord-Chef Peter Deutschmann bei der Eröffnung des Festes. „Die NPD hofft, jene Menschen, die durch soziale Unsicherheit zermürbt sind, gerade im Osten, für sich gewinnen zu können.“ Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) erklärte: „Wir wollen keine Rechtsextremen. Keine Toleranz für die Intoleranz.“
Anders als in Rostock verhinderten in Leipzig gestern zirka 5.000 Gegendemonstranten, dass sich ein Aufmarsch von einigen hundert Neonazis überhaupt in Bewegung setzen konnte. Nach mehrstündiger Blockade traten die Neonazis am Nachmittag die Rückreise an. Ein zweiter Demonstrationszug konnte sich zunächst in Marsch setzen, wurde aber später von rund 2.000 Menschen ebenfalls blockiert. Die beiden Aufmärsche der Rechtsextremisten waren von den Szenegrößen Christian Worch und Steffen Hupka angemeldet worden und sollten durch das linksalternativ geprägte Connewitz führen.
Dabei kam es zwischen Rechtsradikalen und Gegendemonstranten zu Zusammenstößen, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden. Aus Reihen der Gegendemonstranten wurden Feuerwerkskörper in den Aufmarsch geschossen. In Connewitz wurden ein Müllcontainer und ein Auto in Brand gesetzt. Aus den Reihen der Neonazis seien mehrere Personen wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole festgenommen worden, sagte ein Polizeisprecher. Zahlen zu den Verletzten und Festnahmen wurden zunächst nicht genannt. Nach Einschätzung der Berliner Polizei waren gewalttätige Demonstranten, die in den vergangenen Jahren an den Berliner 1.-Mai-Krawallen beteiligt waren, diesmal nach Leipzig und Rostock gereist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen