: Endlich abhörsicher: Regierung sagt nichts
HANDYGATE Angela Merkel wurde überwacht. Und der Rest der Regierung? Die deutschen Minister tun sich schwer damit, ihre Fehler einzugestehen. Sie bauen weiterhin auf Freundschaftsdienste aus den USA
BERLIN taz | Es ist wieder ein Schauspiel besonderer Güte hier auf der Pressekonferenz der Bundesregierung. Aber eins nach dem anderen. Das Handy der Frau Bundeskanzlerin wurde nun also vom US-Geheimdienst überwacht. Inzwischen hat Angela Merkel (CDU) selbst Licht ins Dunkel gebracht. Es war, sagt sie, ihr Parteihandy, das ins Visier der NSA geraten ist. Dabei handelt es sich um ein unsicheres Telefon, mit dem Merkel lieber einmal zu oft als einmal zu selten ihre Parteigeschäfte erledigte. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, das auf Staatskosten zu betreiben. Ehrenwert. So weit, so klar.
Eine Frage aber klärte die Kanzlerin bislang nicht: Warum stellte ihr die Partei zum Telefonieren nicht wenigstens ein Handy mit angemessenen Sicherheitsstandards zur Verfügung? Am Donnerstag hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) der Süddeutschen Zeitung mitgeteilt, bei dem Handy habe es sich um ein nicht vom BSI zugelassenes Gerät gehandelt. Kurze Zeit später, nachdem es Druck von ganz oben gab, durfte das BSI diese Aussage nicht wiederholen.
Der Vorgang steht stellvertretend für den Umgang der Minister mit ihren Telefonen – und damit zurück zur Bundespressekonferenz. Hier sitzen am Freitag die Sprecher der Ministerien, bemitleidenswert, und alle winden sie sich in allgemeinen Aussagen. Der Herr Wirtschaftsminister habe jederzeit die Möglichkeit zur sicheren Kommunikation, sagt der eine. Der Herr Innenminister auch, sagt der andere. Nur welche Minister diese Möglichkeiten auch konkret nutzen – dazu kein Wort.
Dabei zeigten sich zahlreiche Experten am Freitag wenig überrascht über die Ausspähung. Der Guardian hatte berichtet, dass weltweit mindestens 35 Spitzenpolitiker auf einer Liste der NSA gestanden hätten. Der Exdiplomat Wolfgang Ischinger sagte, er gehe davon aus, dass auch andere Staaten hohe deutsche Politiker überwachen. Er ist nicht der Einzige, der das so sieht. Nur die Bundesregierung kommentiert, es lägen keine Hinweise darauf vor, dass andere Minister betroffen sein könnten.
Aufklärung fordern daher nun auch die Bundestagsfraktionen. Sie wollen sich in einer Sondersitzung mit dem Thema befassen und erwägen die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses.
Eine ranghohe Delegation, so verkündete immerhin ein Sprecher der Kanzlerin, werde bald in die USA reisen, um über die Vorwürfe zu reden. Auf die Antworten dort freut sich sicher auch FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie wartet immer noch auf die Antwort auf einen Brief, den sie zu Beginn der NSA-Affäre im Juni an ihren US-Amtskollegen Eric Holder adressierte. MARTIN KAUL
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