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Bettelverbot für BulgarenAbgestempelt werden alle

Man mag es dem Bezirksamt Mitte glauben, dass es mit dem Bettelverbot für die Bulgaren in der City nicht das Tor für allgemeine Bettelverbote öffnen will – schlecht ist die Idee trotzdem.

Kommentar von Klaus Irler

Da ist zum einen die dünne Beweislage: Es gibt Beobachtungen und Fotos, aber es gibt keine gesicherten Erkenntnisse über etwaige Hintermänner. Dass jemand, der keine Beine mehr hat, von einem anderen auf den Platz geschoben wird, verwundert nicht. Und dass die Bettler ihr Geld über den Tag abgeben, heißt nicht zwangsläufig, dass sie es nie wieder sehen.

Problematisch ist außerdem, das Verbot nicht auf der Grundlage des Strafrechts, sondern auf der des Hamburgischen Wegegesetzes zu erlassen. Das Bezirksamt rechtfertigt den Umweg damit, dass es ihm um den Schutz Behinderter gehe. Aber auch Behinderte wären durch das Strafrecht geschützt, wenn sie denn wirklich ausgebeutet würden.

Das nachhaltig Fatale des Verbots aber ist die Wirkung, die es in der Öffentlichkeit entfaltet: Von „organisierten Bettler-Banden“ berichtet selbst die Nachrichtenagentur dpa und erreicht damit, dass Bettler, vor allem solche mit Behinderung, fortan gerne abgestempelt werden. „Die gehören zur Mafia“, heißt es dann unter Passanten auf der Straße.

Und damit trifft das Verbot nicht mehr allein zehn Bettler aus Bulgarien, sondern alle.

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