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Netzgipfel für Bürgerenergie

Energiepolitik und Stromnetze – mit einem Bürgerkongress will die Genossenschaft „BürgerEnergie Berlin“ den Weg zu einer demokratischen Energiewende weiterdenken

Netzgipfel – Bürgerkongress

■ Samstag, 9. November Von 11 bis 18 Uhr, Einlass ab 10.30 Uhr, Technische Universität Berlin, Straße des 17. Juni 135

Das Programm im Netz auf der Webseite von BürgerEnergie Berlin: www.buerger-energie-berlin.de

„Nach dem Volksentscheid ist vor dem Netzkauf“, erklärt Luise Neumann-Cosel, Vorstandsmitglied der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin. Die Genossenschaft beteiligt sich am Vergabeverfahren für das Berliner Stromnetz und lädt diesen Samstag zum 3. großen Netzgipfel ein. Wie geht es weiter mit der Energiewende? Was bedeutet das Ergebnis des Volksentscheids für Berlin? Einen Tag lang können Energiebürger und interessierte BerlinerInnen mit Experten aus Politik und Energiewirtschaft diskutieren.

Gleich beim ersten Panel des Tages dürfte es richtig spannend werden. Stefan Taschner vom Berliner Energietisch und Hartmut Gaßner von der BürgerEnergie Berlin sitzen Vertretern des Senats gegenüber, Torsten Schneider, dem parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, und Prof. Dr. Dieter Flämig, dem Vorsitzenden des Fachausschusses Energie & Umwelt der CDU Berlin. Nach dem Scheitern des Volksentscheids ist das Thema Energiewende in Berlin nicht verstummt. Die Initiatoren vom Energietisch sehen jetzt den Senat in der Pflicht, den Wunsch vieler Berliner nach einer kommunalen Energieversorgung für die Hauptstadt zu erfüllen. Am Sonntag hatten 83 Prozent aller Abstimmenden mit einem Ja für eine andere Energieversorgung in Berlin gestimmt und so ein klares Votum an den Senat gesandt. Das nun ein weiteres Mal ein Volksentscheid am Quorum scheitert, und das denkbar knapp, ist auch eine Frage der Demokratie. Auf die Antworten von Torsten Schneider und Dieter Flämig darf man also gespannt sein.

Die BürgerEnergie Berlin fordert, dass der Senat nun auf die Bürger zugehen müsse: „Er kann auf ein Kooperationsmodell zwischen dem Land Berlin und unserer Bürgergenossenschaft setzen und so dem Volksentscheid gerecht werden“, erklärt Luise Neumann-Cosel und warnt zugleich: „Sollte der Senat jedoch die Netzkonzession entgegen dem erklärten Willen der Berliner erneut an Vattenfall vergeben, wäre dies ein massiver Vertrauensbruch.“ In den kommenden Wochen wird die Konzession für das Berliner Stromnetz neu vergeben. Die BürgerEnergie Berlin will gemeinsam mit vielen Bürgerinnen und Bürgern das Berliner Stromnetz kaufen und mit einem bürgereigenen Unternehmen selbst betreiben. Dafür sammeln sie mit ihrer Genossenschaft und einem Treuhandkonto bei der GLS Bank das nötige Geld ein. 8 Millionen Euro sind bisher zusammengekommen. Viel Geld für ein Unternehmen, dass als Bürgerinitiative gestartet ist, aber längst nicht genug, um das Stromnetz Berlins zu erwerben. Deshalb setzt die Genossenschaft auf eine Kooperation mit dem Land Berlin. Möglich ist auch die Zusammenarbeit mit einem unabhängigen Netzbetreiber, der das Ziel, eine ökologische Energieversorgung in Bürgerhand, teilt.

Die Diskussion über Volksentscheid und Netzrückkauf bildet aber nur den politischen Auftakt des Netzgipfels. Am Nachmittag werden in sechs Workshops einzelne Themen vertieft. Die Machtstrukturen auf dem Energiemarkt oder neue Speichertechnologien stehen zum Beispiel auf dem Programm. Dabei stehen den TeilnehmerInnen praxiserfahrene Experten aus der Energiewirtschaft zur Seite. Ursula Sladek, die Stomrebellin aus dem Schwarzwald, wird erklären, wie die Bürger in Schönau 1997 die Stromversorgung ihrer Gemeinde übernommen haben. Die Elektrizitätswerke Schönau sind der erste Netzbetreiber der aus der Antiatombewegung entstanden ist.

„Wir wollen nicht nur das Netz kaufen, sondern vor allem auch energiepolitisch einen Unterschied machen, und zwar mit den Menschen gemeinsam“, erklärt Neumann-Cosel. Mit dem Netzgipfel wollen sie die Fragen der Energiepolitik in Berlin und darüber hinaus öffentlich diskutieren. ExpertInnen und PolitikerInnen, die sonst oft nur auf Fachkongressen diskutieren, sitzen hier an einem Tisch mit den BerlinerInnen. Es geht um Wissensvermittlung: „Wir wollen unsere Erfahrungen und das Wissen der Experten weitergeben und natürlich auch selbst etwas lernen“, sagt Neumann-Cosel

Die ersten beiden Netzgipfel von BürgerEnergie Berlin waren mit jeweils 300 TeilnehmerInnen gut besucht. Luise Neumann-Cosel hofft, dass diesmal noch mehr kommen. „Der Regierende Bürgermeister Wowereit und der Senat haben sich schließlich nur durch eine Termintrickserei haarscharf vor dem Volksentscheid gerettet.“ Nun müssten die BürgerInnen am Ball bleiben und politischen Druck aufbauen. „Da die endgültige Entscheidung über das Netz noch nicht gefallen ist, sondern erst in den kommenden Wochen im Vergabeverfahren getroffen wird, geht es dort nun um alles. Wir werden uns mit aller Kraft in das Vergabeverfahren stürzen – und darum ringen, das Netz in Bürgerhand zu bringen“, sagt Neumann-Cosel.

JÖRN ALEXANDER

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