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Zwischen Plenum und Lobby

CDU-Mann Röttgen sieht in seiner künftigen Doppelrolle als Parlamentarier und Industrielobbyist eine „interessante Scharnierposition“. Kritik von SPD und Grünen

BERLIN taz ■ Angriff ist die beste Verteidigung, findet Norbert Röttgen. Der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag und enge politische Weggefährte von Angela Merkel hatte gestern eine originelle Begründung dafür parat, warum an seinem Wechsel an die Spitze des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) nichts auszusetzen sei: „Ich halte die Abschottung der Bereiche Wirtschaft und Politik für fatal“, sagte er. Es solle viel mehr Austausch und Wechsel geben. Gerade angesichts der Globalisierung trügen Politik und Wirtschaft eine „gemeinsame Verantwortung“.

So kann man es sehen. Die Initiative „LobbyControl“ sieht den Fall jedoch ganz anders. Röttgens „fliegender Wechsel“ auf den Posten des BDI-Geschäftsführers sei ein erneutes Beispiel für die „schwunghafte Drehtür zwischen Politik und Lobbyismus, die vor allem finanzstarken Interessengruppen zugute kommt“, kritisierte die Initiative für Transparenz und Demokratie.

Röttgen gibt zwar sein Amt in der Fraktionsführung im Herbst ab, bleibt aber Abgeordneter. Er wird keineswegs der erste CDU-Abgeordnete sein, der gleichzeitig als Wirtschaftsfunktionär tätig ist. Mit Reinhard Göhner hat die Unionsfraktion bereits den Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA in ihren Reihen. Auch Röttgens Vorgänger beim BDI, Ludolf von Wartenberg, war CDU-Politiker.

Dass Röttgen diese Tradition nun fortsetzt, sorgt bei Politikerkollegen für Empörung – und Spott. Sein Wechsel zum BDI zeige „eindeutig, welchen Interessen die CDU eins zu eins verpflichtet ist“, stellte der SPD-Linke Dieter Rossmann in der Bild fest. Grünen-Chefin Claudia Roth sagte der taz: „Norbert Röttgen sollte nicht als hauptamtlich bezahlter Lobbyist des BDI im Deutschen Bundestag sitzen.“ Er sollte sich entscheiden, welche Tätigkeit er ausüben will, BDI-Hauptgeschäftsführer oder Abgeordneter. „Beides zusammen ist politisch unanständig.“

Röttgen sieht jedoch keinen Anlass, sein Mandat niederzulegen. Schließlich sei er als Direktkandidat bis 2009 gewählt, und „es gibt keinen Ersatzkandidaten“. Sein neuer BDI-Job sei eine „interessante Scharnierposition“ zwischen Politik und Wirtschaft und eine „andere Form der politischen Einwirkung“ als bisher. Bisher war der 40-Jährige in wichtige Entscheidungen Merkels eingebunden. Sein Wechsel sorgte in der Union für Überraschung. Möglicherweise sei Röttgen enttäuscht, weil er nicht Kanzleramtschef wurde, hieß es. In der Partei gehen die Meinungen darüber auseinander, ob Merkel mit Röttgen einen wichtigen Mitstreiter im Parlament verliert – oder einen wichtigen Partner in der Industrie gewinnt.

LUKAS WALLRAFF

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