KOMMENTAR KAI VON APPEN ÜBER DIE INNENMINISTERKONFERENZ: Vor den Todesfällen gedrückt
Die Innenministerkonferenz (IMK) befasst sich laut offizieller Tageordnung nur mit zwei flüchtlingspolitischen Themen. Das prangern die Flüchtlingshilfeorganisationen an – zu Recht. Zwar ist es ein kleiner Fortschritt, wenn die Herren Innenminister über eine Lockerung der Residenzpflicht nachdenken, die – in Europa einzigartig – Flüchtlingen einen räumlichen Bezirk vorgibt, der nicht ohne Genehmigung verlassen werden darf.
Es ist auch zu begrüßen, wenn die IMK darüber berät, welche Auswirkungen die Rücknahme des deutschen Vorbehalts zur UN-Kinderrechtskonvention haben werden. Denn minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gehören einfach nicht in Abschiebehaft, sondern bestenfalls in die Obhut des Jugendamtes – und auch nicht älter gemacht.
Doch das Thema Abschiebehaft, das nach dem Tod zweier Flüchtlinge in Hamburger Haftanstalten im Frühjahr in den Blick gerückt ist, hat die IMK sträflich und gewollt ausgeblendet – um eine öffentliche Diskussion zu verhindern. Doch diese muss endlich geführt werden. Die beiden tragischen Selbsttötungen in Hamburg haben gezeigt, dass das Mittel der Abschiebehaft verwerflich ist, denn es birgt die Suizidgefahr in sich. Dass die Forderung der Flüchtlingsorganisationen nach einem generellen Bleiberecht wohl eine Vision bleiben wird, ändert daran nichts.
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