: Kitas, Schulen und Unis müssen teilen lernen
BILDUNG Kompromisse fordern Opfer: In dieser Großen Koalition sind das Schüler und Studierende
BERLIN taz | Alle SPD-Mitglieder können sich jetzt zum Koalitionsvertrag äußern, doch eine Handvoll von ihnen ist verstummt: die SPD-Bildungspolitiker, die am Vertrag mitfeilten. Was sollen sie auch sagen, hat doch die SPD fast alle ihrer hochfliegenden Bildungspläne opfern müssen.
Einen Masterplan „Ganztagsschule“ hatte die Partei im Wahlprogramm angekündigt und 8 Milliarden Euro, um allen Kindern in Laufnähe eine Ganztagsschule auf höchstem pädagogischen Niveau einschließlich Inklusion anzubieten. Doch die Ganztagsschule ist im 185-seitigen Dokument ein einziges Mal erwähnt: „Ganztagsschulen verbessern den Bildungserfolg“.
Die Enttäuschung über die stille Opferung sitzt tief, nicht nur bei den üblichen Befürwortern wie der Linkspartei – „Bildungspolitisch haben wir anscheinend nicht viel zu erwarten“ – und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – „inhaltliche Projekte sucht man vergebens“. Auch von den Arbeitgebern kommt Kritik: „Dass Ganztagsschulen faktisch gar nicht mehr auftauchen, ist desaströs“, rutschte es einer Vertreterin der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände am Mittwoch heraus.
Zwar erklären die Koalitionäre Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Präambel des Vertrags zu ihren Kernanliegen. Doch kosten dürfen sie möglichst wenig, hat sich die Große Koalition mit dem Verzicht auf Steuererhöhungen ja eine Einnahmesperre verordnet. Aus dem Vertrag verschwanden am Ende Projekte, auf die man sich schon geeinigt hatte, die aber als „finanzwirksam“ markiert waren: eine substanzielle Erhöhung des Bafögs etwa oder eine jährliche Erhöhung der Grundmittel für die Hochschulen.
Diese vermeldeten gerade erneut über eine halbe Million Studienanfänger und baten zugleich um eine Erhöhung ihrer Zuwendungen um eine Milliarde, um Dozenten zu bezahlen und Hörsäle in Schuss zu halten. Pro Jahr wohlgemerkt.
Die Große Koalition hat sich im Koalitionsvertrag lediglich darauf verpflichtet, in vier Jahren 3 Milliarden Euro für die Forschung, die Exzellenzinitiative und fehlende Studienplätze auszugeben. Außerdem will sie die Länder um 6 Milliarden Euro entlasten, und die sollen das Geld dann in Kitas, Schulen und Unis pumpen. Sollen, nicht müssen, denn kontrollieren kann die Bundesregierung nichts. Über ihre Bildungseinrichtungen bestimmen die Länder allein.
Der Anlauf, den CDU und CSU genommen hatten, um das Grundgesetz so zu verändern, dass der Bund zumindest in der Hochschulpolitik mitmischen darf, ist vorerst gestoppt. Doch eine Hintertür haben sich die Koalitionäre offen gehalten: Sie wollen eine Kommission einsetzen, die die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu ordnet.
Der CSU-Bildungsexperte Albert Rupprecht glaubt, dass in diesem Ausschuss über Grundgesetzparagrafen gesprochen werde: „Wenn wir eine kontinuierliche Zusammenarbeit in der Wissenschaft wollen, brauchen wir eine Verfassungsänderung.“ Ansonsten ist der CSU-Politiker, der ein strenger Verfechter des Bildungsföderalismus ist, zufrieden mit dem Koalitionsvertrag: Angesichts des finanziellen Rahmens sei es ein Zeichen der Ernsthaftigkeit, dass die Große Koalition mehr als ein Drittel der auf 23 Milliarden veranschlagten Mehrausgaben für Bildung und Forschung ausgeben wolle. „Das zeigt: Das Thema ist für uns prioritär.“ ANNA LEHMANN
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