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Rechte prügeln ganz ungeniert

Drei mutmaßliche Neonazis stehen vor Gericht. Die Bauarbeiter sollen am S-Bahnhof Warschauer Straße einen Kolumbianer zusammengeschlagen haben. Sie prügelten sich auch mit zwei Männern, die ihm zu Hilfe eilten – und grölten Naziparolen

VON UTA FALCK

Die drei Bauarbeiter – und mutmaßlichen Neonazis – hatten am 18. Februar 2004 ordentlich gezecht: Im Getränkeladen gab es Bacardi im Angebot, Sandro S., Andreas V. und Sven B. hatten je eine Flasche intus, als sie den Heimweg von der Baustelle in der Forster Straße antraten. Im S-Bahnhof Warschauer Straße sollen sie dann einen Kolumbianer zusammengeschlagen haben. Außerdem wirft ihnen die Staatsanwaltschaft vor, zwei türkische Passanten, die dem Opfer zu Hilfe eilten, angegriffen zu haben. Dabei sollen die drei Zecher Naziparolen gegrölt und den Hitlergruß gezeigt haben.

Vor dem Landgericht begann gestern der Prozess. Der Staatsanwalt verlas eine lange Liste von Anklagepunkten: Volksverhetzung, Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung und Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.

Kevin A. C., der 41-jährige Kolumbianer, schildert den Hergang der Dinge so: Er sei die wenig belebte Bahnhofstreppe hochgestiegen. Die drei Männer kamen ihm entgegen. Einer von ihnen, wahrscheinlich Andreas V., soll ihn absichtlich gerempelt haben. „Was soll das?“, habe er gefragt, sagt Kevin A. C. Dann zeigte er den Bauarbeitern den Stinkefinger. Sandro S. und Sven B. verfolgten ihn, schubsten ihn zu Boden und traten ihn mit Fäusten und Füßen. Kevin A. C. erlitt eine Handgelenkfraktur und Kopfprellungen.

Der Geschädigte rief um Hilfe. Zwei Türken, die das Geschehen beobachteten, hinderten die drei Täter an der Flucht. Sandro S. und Sven B. prügelten sich nun mit den beiden Türken. Auch Andreas V. griff unrühmlich ein. Er soll einen deutschen Mann gegen einen Kiosk geschubst und später den Hitlergruß gezeigt haben.

Die mutmaßlichen Rechtsextremen, die alle drei mit runengeschmückter Kleidung oder entsprechenden Tätowierungen auftreten, schildern den Tathergang deutlich abweichend. Sie wollen weder Kevin A. C. verprügelt noch rechtsradikale Symbole verwendet haben. Die Treppe sei um diese Zeit sehr voll gewesen, sagt der 26-jährige Bauleiter Sven B.. Einer von ihnen müsse wohl versehentlich Kevin A. C. gerempelt haben.

„Der A. C. ist total ausgeflippt. Er hat ‚Du Wichser‘ und ‚Blöde Sau‘ gerufen und mit der Tasche um sich geschlagen. Da ist das Ganze eskaliert.“ Weil er seinem Kumpel Sandro S. beistehen wollte, habe er sich dann mit den beiden Türken geprügelt. „Warum soll ich mir an die Wäsche gehen lassen?“

Andreas V. stellt seine Rolle positiv dar. Er habe verhindern wollen, dass sich immer mehr Leute einmischen, sagt er. Nicht ohne Ironie fragt der Richter zurück: „Dann haben Sie sich quasi als Ordnungskraft gesehen?“ Andreas V. antwortet: „Ich wollte Ruhe in die Aktion reinbringen.“

Dass er mit einem deutschen Passanten aneinander geriet, bestreitet er nicht. Auf die Frage, ob er diesen als „Schwuchtel“ bezeichnet habe, weil er einen Rock trug, antwortet Andreas V. nur mit „Jo!“ Auch habe er den Rockträger in den Kiosk gedrückt. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass durch sein Schubsen ein metallenes Stützrohr am Kiosk verbogen wurde. „Ich bin zwar ein bisschen dicker, aber nicht Schwarzenegger.“ Einen Hitlergruß will er auch nicht entboten haben: „Nur weil ich ein Landser-Sweatshirt anhatte, muss ich nicht mit einem erhobenen Arm rumlaufen.“ Landser ist eine bekannte Rechtsrock-Band, sie wurde im Jahr 2005 verboten. Der Prozess wird am 15. Juni 2006 fortgesetzt.

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