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In Grunewald streckte Krieger die Waffen

CHARLOTTENBURG-WILMERSDORF Eigentlich wollte Kurt Krieger zwei Möbelhäuser auf dem brachliegenden Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs Grunewald errichten. Nach einem „Charrette“-Dialogverfahren schwenkte der Eigentümer auf Wohnbebauung um

Die beiden geplanten Möbelhäuser auf dem ehemaligen Güterbahnhof Berlin-Grunewald sind vom Tisch. Kurt Krieger als Eigentümer des Grundstücks sowie die Kritiker der Möbelhausidee – der Bezirk, Bauexperten und Anwohnerinitiativen aus der nahen Siedlung Eichkamp – haben sich auf eine Alternative verständigt: Die 14 Hektar große Brache soll stattdessen mit Wohngebäuden, kleinteiligem Gewerbe und Parkflächen entwickelt werden. Wann Krieger die Pläne realisieren will und ob weitere Investoren oder Baugruppen in das Bauvorhaben einsteigen, ist derzeit offen.

Verfahren aus den USA

Die Einigung erzielten Krieger und die Initiativen in einem „Charrette“-Verfahren im Dezember. Dabei handelt es sich um eine dialogische Methode der Stadt- und Regionalentwicklung, die möglichst alle Interessenten an der Planung beteiligt. Sie wird vor allem in den USA angewendet. Veranstalter der Charrette zum Güterbahnhof war das Bildungswerk Berlin der Heinrich Böll Stiftung.

Florian Schmidt, Stadtplaner und Leiter des Verfahrens, bewertete die Ergebnisse als Durchbruch für das ehemalige Bahngelände mit seinen zum Teil denkmalwerten Backsteinbauten: „Bis zum Schluss wussten wir nicht, wie sich die Firma Krieger verhalten würde. Nun zeigt sich, dass die Charrette wesentlich zum Umdenken des Eigentümers beigetragen hat.“ Ende Januar soll eine ausführliche Dokumentation des Dialogs präsentiert werden. Die Debatte über die Zukunft des Projekts müsse aber weitergehen, so Schmidt.

Auch Marc Schulte, SPD-Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, zeigte sich zufrieden und nannte die Charrette ein „gelungenes Experiment konsequenter Bürgerbeteiligung“. Zuvor hatte der Bezirk seine Zustimmung für Kriegers Pläne stets verweigert. Umso mehr überrascht jetzt Kriegers positives Echo: Die Überlegungen, den Güterbahnhof zukünftig als Wohnstandort zu entwickeln, seien ein „interessanter Impuls“, so ein Unternehmenssprecher.

Die von Krieger anvisierten Möbelhäuser auf der Brache am Güterbahnhof waren in die Schlagzeilen geraten, als der Eigentümer im Sommer seine Pläne nach massiver Kritik der Bürgerinitiative „Zwischen den Gleisen“ auf Eis legte, aber nicht grundsätzlich von dem Vorhaben abrückte. Nun hat er Federn lassen müssen. Auch der jetzige Vorschlag, Wohngebäude auf dem Gelände zu realisieren, stammt von den Bewohnern der nahen Siedlung Eichkamp. Zudem plädieren sie für einen großen Freiflächenanteil und Raum für Sport, Freizeit und Kultur.

ROLF LAUTENSCHLÄGER

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