: Endstation Kirche
KIRCHENASYL Göttinger Gemeinde nimmt drei Roma auf, die in das Kosovo abgeschoben werden sollen
GÖTTINGEN taz | Wohnlich ist es in der Göttinger Christophorus-Kirche nicht. In dem schmucklosen Bau liegen neben dem Altar ein paar Decken und Schlafsäcke. Ihre wichtigsten Habseligkeiten haben Ramadan und Jetmir Kryeziu (23 und 19 Jahre alt) sowie Florim Berisha (17) in kleinen Rucksäcken verstaut.
Seit Montagabend sind die jungen Männer, deren Eltern vor etwa 20 Jahren aus dem Kosovo nach Deutschland flüchteten, im Kirchenasyl. „Es war ein akuter Notfall“, sagt Göttingens ehrenamtlicher Ausländerpastor Peter Lahmann. Montagnacht hätten die drei Roma in den Kosovo abgeschoben werden sollen. „Das Kirchenasyl war das letzte Mittel, um eine neue Schandtat des Innenministeriums in Hannover zu verhindern“, sagt Lahmann.
Die Eltern von Ramadan und Jetmir Kryeziu sind schwer erkrankt und konnten deshalb nicht abgeschoben werden. Vorläufig geschützt ist auch der kleine Bruder Hamit (12). Florim Berisha lebte zuletzt allein in Göttingen. Seine Eltern wurden nach Hamburg „umverteilt“, kämpfen dort um ein Bleiberecht.
Das Kosovo hat Jetmir Kryeziu nie gesehen. „Ich fühle mich als Deutscher“, sagt er. Sein Bruder zeigt ein Foto, das ihn mit drei Jahren zeigt. „Das war in meinem Ausweis, als wir nach Deutschland kamen“, erzählt er.
Ramadan würde gern ein Freiwilliges Soziales Jahr und eine Ausbildung machen – das scheiterte an seinem unsicheren Aufenthaltsstatus. „Die Türen wurden alle zugemacht“, sagt er. Sein Bruder steht vor seinem Realschulabschluss, jobbt nachmittags und kickt abends in einem Fußballverein. Er sei „nicht hinreichend integriert“, entschied dennoch das Göttinger Verwaltungsgericht.
22 Roma sollten diese Woche aus Göttingen abgeschoben werden. Bei zwei Familien stoppten Verwaltungsgerichte die Ausweisungen in letzter Minute. Elf Menschen waren nicht in ihren Wohnungen, als Polizei und Ausländerbehörde nachts um zwei Uhr klingelten.
Unterstützer haben derweil Lebensmittel, eine Kaffeemaschine und Zahnbürsten in die Kirche gebracht. Verlassen die Roma das Gemeindegrundstück, droht ihnen die Verhaftung. Lahmann berichtet von Gesprächen mit der Stadt Göttingen. „Wir versuchen alles, die Behörden und Politiker umzustimmen, damit wir wenigstens eine Aussetzung der Abschiebungen erreichen.“
REIMAR PAUL
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