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BERND PICKERT ZUM RAUSWURF DES AFGHANISTAN-GENERALS MCCHRYSTALObama: entschlossen, aber ratlos

Am Ende war der Rauswurf von General Stan McChrystal eine Formsache. Jedes Festhalten am Afghanistan-Kommandeur mit dem losen Mundwerk und dem redseligen Team hätte US-Präsident Obama nur noch mehr Hohn und Spott eingebracht.

Obamas größtes Interesse war und ist, die Affäre McChrystal nicht zu einer Grundsatzdebatte über den Afghanistan-Einsatz ausufern zu lassen. Mit der schnellen Benennung von David Petraeus als Nachfolger stellt Obama größtmögliche Kontinuität her. Nach Gesundheitsreform, Finanzkrise und Ölpest kann Obama fünf Monate vor den wichtigen Kongresswahlen keine weitere politische Großbaustelle gebrauchen – schon gar nicht in einem der wenigen Bereiche, in denen er keine rechte Fundamentalopposition fürchten muss. Dieses Ziel scheint er mit seinem schnellen Handeln erreicht zu haben. Die rasche Lösung der Krise ist kurzfristig ein Erfolg Obamas und signalisiert Führungsstärke. Gleichzeitig ist jedoch die Gelegenheit vertan, den Afghanistan-Einsatz einer grundsätzlichen Überprüfung zu unterziehen. Die aber ist überfällig. Denn die lästerlichen Äußerungen von McChrystal und seinem Team im Beisein des Rolling Stone-Reporters sind ja mehr als nur die übliche Distanz der in militärischen Verhaltenskodexen erzogenen Kriegführenden zu ihren zivilen Vorgesetzten. Sie sind auch Ausdruck einer tiefen Ratlosigkeit, wie dieser Krieg, geführt mit einer Strategie, die McChrystal und Petraeus selbst entworfen haben, je erfolgreich beendet werden soll.

Obama hat es in der Vergangenheit durchaus verstanden, Krisen als Chancen für Neubeginne zu nutzen. Das ist wirkliche Führungsstärke. Diesmal kann und will er das nicht. Dies ist das eigentliche Drama am Fall McChrystal.

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