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„NRW hat noch nie viel für Frauen getan“

Die Soziologie-Professorin und Frauen-Aktivistin Maria Mies aus Köln fordert eine neue Frauenbewegung

taz: Frau Mies, Sie haben 1976 eines der ersten Frauenhäuser bundesweit in Köln gegründet, Nordrhein-Westfalen hatte die erste kommunale Gleichstellungsbeauftragte. Wird NRW seiner Vorreiterrolle in Frauenfragen heute noch gerecht?

Maria Mies: NRW tut nicht besonders viel für Frauen, hat das aber noch nie getan. Wir haben das Frauenhaus damals ohne finanzielle Unterstützung vom Land und der Stadt Köln gegründet. Häusliche Gewalt war kein Thema in der Politik. Es ist nicht richtig, dass sich heute Politikerinnen mit den Frauenhäusern brüsten.

Die Landesregierung kürzt bei den Frauenhäusern und will die Regionalstellen Frau und Beruf komplett streichen. Schon kurz nach der Wahl haben Frauen sich skeptisch zu einer christdemokratischen Frauenpolitik geäußert. Macht die CDU die Politik, die man von ihr erwarten konnte?

Die CDU macht sicherlich die Politik, mit der man rechnen konnte. Aber alle Parteien – auch die SPD und die Grünen – machen eine Frauenpolitik, die einem neoliberalen Wirtschaftsmodell folgt und auf der Einschränkung von Staatsausgaben basiert.

Es besteht kein großer Unterschied zwischen der Frauenpolitik der verschiedenen Parteien. Die Drohung, die Mittel für Frauenhäuser zu kürzen, stand auch unter der SPD und den Grünen im Raum.

Die Landespolitik beschäftigt sich verstärkt mit anderen Themen wie der Integration. Ist Frauenpolitik nicht mehr modern?

Frauenpolitik war noch nie up to date. Sie ist immer von der Frauenbewegung ausgegangen. Die Politik hat die Frauen stets instrumentalisiert und sich erst um Frauenbelange gekümmert, wenn die Feministinnen ihre Wahlstimme anderen Parteien gaben.

Ist der Politik die Bedeutung von Frauenhäusern nicht bewusst?

Es geht heute nur noch um die Hilfe für die Opfer. Die Frauenhäuser werden heute nur noch als Schutzhäuser gesehen. Das war nicht unsere Zielsetzung. Wir wollten die Gewalt gegen Frauen ganz abschaffen. Vielleicht haben wir als Frauenbewegung zu wenig dafür getan, dass unsere Ziele und unsere Geschichte bewusst bleiben.

Ist die Frauenbewegung selbst noch so aktiv wie früher?

Junge Frauen wagen es kaum noch, sich Feministinnen zu nennen. Viele von ihnen empfinden die Probleme als gelöst. Sie sind dem Bluff des Gender Mainstreaming aufgesessen. Unser Ziel war nie, mit den Männern bloß gleich zu ziehen, sondern Ziel muss ein nicht-patriachalisches und nicht-kapitalistisches frauen-, kinder-, naturfreundliches System sein. Im Grunde brauchen wir eine neue Frauenbewegung.

INTERVIEW: K. HEIMEIER

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