: Etwas Besseres als Ein-Euro-Jobs
Alle wollen den „dritten Arbeitsmarkt“ für Arbeitslose, die keine Chance auf reguläre Jobs haben: SPD, Union, Gewerkschaften. Der DGB sagt, normale Arbeitsplätze werden nicht vernichtet, wenn Arbeitgeber vor Ort zustimmen können – wie bei den ABM
VON ULRIKE WINKELMANN
„Fördern und Fordern“ ist ein schöner Slogan, hilft aber womöglich nicht allen. Zu diesem Schluss kommen zunehmend auch die Regierungspolitiker, die Hartz IV für den Schlüssel zur gelungenen Arbeitsmarktpolitik hielten. So fordert jetzt der SPD-Arbeitsmarktpolitiker Klaus Brandner eine „gezielte Beschäftigungsstrategie“ für die „große Zahl von Langzeitarbeitslosen mit besonderen Vermittlungshemmnissen“, die – fördern hin, fordern her – auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Chance haben. Brandners Unions-Kollege Ralf Brauksiepe funkte gestern Zustimmung.
Also könnte sich die große Koalition im Herbst darauf einigen, für einen Teil der Langzeitarbeitslosen auf Arbeitslosengeld II einen eigenen Job-Sektor zu schaffen: einen „dritten Arbeitsmarkt“. Auf Grundlage der Zahlen aus der Bundesagentur für Arbeit (BA) gehen Brandner und andere davon aus, dass bis zu 400.000 Menschen dort besser aufgehoben wären als in den Maßnahmen- und Ein-Euro-Job-Schleifen. Praktischerweise verschwänden sie auch aus der Arbeitslosenstatistik.
Zur Angabe Brandners, dass ein Drittel der ALG-II-Bezieher seit sechs Jahren keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hatte, erklärt die BA allerdings einschränkend, dass hierzu auch Menschen zählten, die gar keine Arbeit aufnehmen wollten. Die BA erarbeitet derzeit ein Konzept für einen dritten Arbeitsmarkt. Modellprojekte werden bereits in einzelnen Bundesländern angeschoben – jüngst etwa im Projekt „Bürgerarbeit“ im großkoalitionär regierten Sachsen-Anhalt.
Die Zählung funktioniert so: Der erste Arbeitsmarkt ist der reguläre, freie Markt. Der zweite Arbeitsmarkt ist der Bereich der kurzfristigen, staatlich bezuschussten bzw. bezahlten Beschäftigung – etwa Ein-Euro-Jobs –, aus dem die Geförderten es aber in den ersten Arbeitsmarkt schaffen sollen. Der dritte Arbeitsmarkt wäre der Bereich der dauerhaften geförderten Arbeit für Leute, die den Sprung in den ersten Markt kaum mehr schaffen werden, weil sie zu schlecht qualifiziert, zu krank oder zu alt sind. Oft werden zweiter und dritter Arbeitsmarkt aber auch zusammengezählt.
So fordert etwa der Gewerkschafts-Dachverband DGB schon lange einen „ehrlichen zweiten Arbeitsmarkt“ – also einen, der ohne den Anspruch auskommt, die Betroffenen seien vermittelbar. An diesem Anspruch, erklärt der Arbeitsmarktexperte des DGB Johannes Jakob, seien auch schon die ABM, die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die in den 1990er-Jahren vor allem im Osten blühten, gescheitert.
Auch der DGB brütet bereits an einem Plan für einen solchen „ehrlichen zweiten“ Arbeitsmarkt. Zielgruppe wären von den – derzeit rund 300.000 – Ein-Euro-Jobbern solche ohne weitere Vermittlungsaussicht. Die Kosten, erklärt Jakob, ohne eine konkrete Zahl zu nennen, „wären nicht höher als für die Ein-Euro-Jobs“. Und jedenfalls sei der gesamtwirtschaftliche Nutzen größer, da die Teilnehmer besser sozialversichert würden. Der Bundesrechnungshof hat kürzlich die Ausgaben für die rund 600.000 halbjährlichen Ein-Euro-Jobs 2005 mit 1,1 Milliarden Euro angegeben; im Durchschnitt habe ein Ein-Euro-Jobber zusätzlich zu den ALG-II-Leistungen 435 Euro gekostet.
Um zu vermeiden, dass echte Jobs für den dritten Arbeitsmarkt vernichtet werden, schlägt Jakob vor, auf die Erfahrungen mit ABM zurückzugreifen. Die ABM-Ausschüsse in den 180 Arbeitsämtern hätten vor Ort mit den Arbeitgebern geklärt, ob ein neues Schul-, Gartenbau oder Drogenprojekt einen Auftrag gefährde. „Wenn es einen regionalen Konsens gibt, funktioniert das“, erklärt Jakob.
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