piwik no script img

Schiefgegangene Zockerei soll Folgen haben

BERLIN Grüne fordern Konsequenzen aus dem Verlustgeschäft der Verkehrsbetriebe

Das Verlustgeschäft hatte bisher für keinen der Beteiligten irgendwelche Konsequenzen

BERLIN taz | Als Konsequenz aus den Spekulationsverlusten der Berliner Verkehrsbetriebe fordern die örtlichen Grünen eine Transparenzpflicht für solche riskanten Deals. „Wir wissen derzeit nicht, welche landeseigenen Unternehmen solche Derivategeschäfte abgeschlossen haben“, kritisiert Jochen Esser, grüner Haushaltspolitiker im Berliner Abgeordnetenhaus. Er forderte eine „gesetzliche Normierung“, damit solche Deals nicht geheim bleiben. Zudem solle festgelegt werden, in welchen Fällen solche Geschäfte erlaubt sind.

Im Jahr 2007 hatte der Aufsichtsrat der Verkehrsbetriebe einem riskanten Derivategeschäft mit der Investmentbank JPMorgan zugestimmt (die taz berichtete). Aufsichtsratsvorsitzender war damals der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Im besten Fall hätten die Verkehrsbetriebe mit dem Geschäft einen Gewinn von 7,8 Millionen US-Dollar gemacht. Es trat aber der schlechteste Fall ein: Ein Verlust von 204 Millionen US-Dollar. Sarrazins Nachfolger Ulrich Nußbaum (parteilos, von der SPD berufen) wollte auf taz-Anfrage nicht mitteilen, wie viele vergleichbare Geschäfte er selbst schon als Aufsichtsratsmitglied der Verkehrsbetriebe und anderer Landesunternehmen abgeschlossen hat: „Ich bitte um Verständnis, dass ich Ihnen auch keine allgemeinen Fragen beantworten kann, die auf eine Bewertung des damaligen Geschäfts der Verkehrsbetriebe schließen lassen“, so seine Sprecherin Kathrin Bierwirth.

Geschäftsführer entlassen?

Der Grünen-Haushaltspolitiker Esser fordert, dass es in Zukunft nicht nur klare gesetzliche Vorgaben für die Derivategeschäfte gibt, sondern dass Verstöße auch Folgen haben: „Man müsste prüfen, ob es dann möglich ist, dass das mindestens die fristlose Entlassung der Geschäftsführung bedeutet.“ Das 200-Millionen-Dollar-Verlustgeschäft hatte bislang noch für niemanden Konsequenzen. Die Senatsverwaltung für Finanzen hatte im Jahr 2009 geprüft, ob es die rechtliche Möglichkeit gibt, Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Welches Ergebnis die Prüfung hatte, möchte Nußbaums Sprecherin Bierwirth ebenfalls nicht verraten.

Der Vorstandsvorsitzende der Verkehrsbetriebe, Andreas Sturmowski, erhielt jedenfalls auch nach dem Bekanntwerden des Millionendebakels weiter sein Gehalt, bis der Vertrag regulär auslief: 290.000 Euro Grundgehalt plus 87.000 Euro jährlicher Bonus für die erfolgreiche Arbeit. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Verkehrsbetriebe, Thilo Sarrazin, wurde Vorstandsmitglied der Bundesbank. Auch strafrechtlich gab es bisher für keinen der Beteiligten irgendwelche Konsequenzen.

SEBASTIAN HEISER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen