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Ärzte spalten Kliniken

Der Marburger Bund verhandelt schon mit den NRW-Kliniken über Einzelverträge. Ärzte weiten ihre Streiks aus. Arbeitgeberverband warnt die kommunalen Kliniken vor Alleingängen

VON DIRK ECKERT UND ANNIKA JOERES

Die Kliniken in NRW haben Einzelverhandlungen mit dem Marburger Bund begonnen. „Wir haben Kontakte aufgenommen“, sagte der Landesvorsitzende des Marburger Bundes, Rudolf Henke, zur taz. Er wolle aber keine Namen nennen. „Die kommunalen Arbeitgeberverbände üben großen Druck auf ihre Kliniken aus“, begründete er seine Vorsicht.

Nachdem die Verhandlungen mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) am Dienstag gescheitert waren, streikten gestern Ärzte an acht kommunalen Kliniken in Nordrhein-Westfalen. Für heute sind Streiks unter anderem in Solingen, Remscheid, Krefeld und Essen angekündigt. Nächste Woche soll der Ausstand noch ausgeweitet werden. Dann werden zum Beispiel die kommunalen Krankenhäuser in Dortmund, Gelsenkirchen und Köln eine ganze Woche lang bestreikt. Heute entscheidet ein Treffen der Ärztesprecher in Frankfurt über die weitere Strategie.

Der Marburger Bund setzt nun darauf, durch Verträge mit einzelnen Kliniken die Arbeitgeberseite zu schwächen. Die optimale Lösung ist das aber auch für den CDUler Henke nicht. „Uns wäre auch ein Flächentarifvertrag lieber“, sagte Henke. „Wir können nicht mit 80 Krankenhäusern gleichzeitig verhandeln.“ Bisher gebe es noch keine solche „Insellösung“ in NRW. Trotzdem würde sich der Marburger Bund nicht quer stellen, wenn örtlich gute Einigungen getroffen würden. Die Kliniken müssten sehen, dass sie die Wünsche ihrer Ärzte nicht ignorieren können.

Die Folgen des Streiks sind mittlerweile für die Krankenhäuser spürbar. Das Klinikum Solingen zum Beispiel, an dem die Ärzte diese Woche von Dienstag bis Freitag streiken, mache 80.000 bis 120.000 Euro Verlust pro Tag, sagte Betriebsleiter Ottmar Heesen der taz. Von normalerweise 50 bis 60 Operationen am Tag müssten an jedem Streiktag bis zu 40 abgesagt werden.

Die VKA warnte die kommunalen Krankenhäuser ihrerseits davor, sich auf Sondervereinbarungen mit dem Marburger Bund einzulassen. „Damit fallen sie den Krankenhäusern in den Rücken, die solidarisch handeln“, sagte VKA-Geschäftsführer Hartmut Matiaske der taz. „Wir beobachten das mit großer Sorge.“ Außerdem würden die Kliniken gegen die Satzung des kommunalen Arbeitgeberverbands verstoßen, dessen Mitglied sie sind. Die Arbeitgeber wollen im aktuellen Tarifstreik noch nicht einlenken. Matiaske kündigte vielmehr „Hilfestellung“ für alle Krankenhäuser an. Näheres wollte er aber nicht sagen.

Vorbild für einen Einzelvertrag ist Stuttgart. Das dortige städtische Klinikum hatte sich Ende Juni mit dem Ärzteverband geeinigt, den Tarifabschluss der Unikliniken zu übernehmen, den die Ärzte in einem monatelangen Arbeitskampf durchgesetzt hatten. Dieser garantiert den Mediziner vor allem mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen.

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