: „Nur kreativ zu sein, reicht nicht“
Ulrike Feld, 45, ist Diplompsychologin und berät am Career and Transfer Center (CTC) Studierende der künstlerischen Hochschulen Berlins auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. Wichtig für Künstler ist vor allem Werbung in eigener Sache
Frau Feld, Sie helfen angehenden Künstlern, Designern, Musikern und Schauspielern auf ihrem Weg ins Berufsleben. Lernen die StudentInnen bei Ihnen, wie man eine Steuererklärung macht?
Ulrike Feld: Unter anderem auch das. Wir bieten Einführungen in die Themen Steuern, soziale Absicherung und Existenzgründung an. Idealerweise haben die Studenten vor ihrem Abschluss ein Basiswissen erworben, auf dem wir dann aufbauen können: mit Businessplänen und Beratung bei Gründungsvorhaben.
Das ist das Ideal. Und wie ist die Wirklichkeit?
Leider kommt die Ernüchterung bei vielen erst nach dem Abschluss, wenn Arbeitsräume und Material nicht mehr zur Verfügung stehen. Plötzlich muss man kostendeckend arbeiten und sich präsentieren. Wer damit nicht zurechtkommt, kann sich auch auf unbegrenzte Zeit nach dem Abschluss noch bei uns melden. Erst dann stellen sich oft die entscheidenden Fragen: Wie verhandle ich mit Agenturen, Galerien und Kunden, soll ich eine GbR gründen oder mich einem Gründernetzwerk anschließen?
Sollte man Kurse in Existenzgründung und Marketing nicht schon während des Studiums zur Pflicht für angehende Kreative machen?
Nein. Künstler sind Individualisten. Und sie haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterschiedliche Bedürfnisse. Einem Produktdesigner brauche ich nicht zu erklären, was Selbstmarketing bedeutet, während Musiktheoretiker oder bildende Künstler oft weltabgewandter sind. Die muss man erst an den Gedanken der Karriereplanung gewöhnen, bevor man beraten kann.
Auf wie viel Resonanz stößt denn Ihr Angebot?
Seit 2001 haben wir über 12.000 Studenten und Absolventen beraten, die meisten zwei bis drei Semester vor oder nach dem Abschluss. Das Interesse an unseren Angeboten ist groß, die Seminare zur Künstlersozialkasse sind überfüllt. Immer mehr Studenten informieren sich lieber beizeiten, statt sich ohne Krankenversicherung durchzuwursteln. Unsere treuesten Kunden sind Grafiker und Designer, bei Künstlern und Musikern könnte das Interesse größer sein.
Liegt das am traditionellen Selbstbild des Künstlers, wonach sich Kreativität und Vermarktung ausschließen?
PR in eigener Sache zu betreiben, wird oft als Kommerz empfunden, ist aber wichtig für alle, die eine Karriere als freier Künstler, Komponist oder Sänger anstreben. Und das sind die meisten: Festanstellungen sind rar geworden. Um als Selbstständiger zu überleben, braucht man einen Businessplan, eine Strategie und soziale Absicherung. Nur kreativ zu sein, reicht nicht: Nach aktuellen Studien sind nach fünf Jahren versuchter Selbstständigkeit nur noch 3 bis 5 Prozent auf dem Markt übrig.
Das heißt, die meisten landen in studienfremden Berufen oder auf Hartz IV?
Ganz so schwarz würde ich es nicht sehen, immerhin lebt Berlin zu einem wesentlichen Teil von der Kultur. Modedesigner profitieren momentan vom Berliner Modeboom, für Künstler und Musiker gibt es trotz großer Konkurrenz viele Möglichkeiten. Die Schauspieler werden meist von der Prüfung wegengagiert, bei denen stellt sich erst später die Frage nach Anschlussengagements. Düster sieht es aber bei Architekten, Fotografen und Grafikern aus.
Was raten Sie denen?
Sich auf spezielle Konzepte zu konzentrieren. Oder dem übersättigten und finanzschwachen Markt in Berlin eine Weile den Rücken zu kehren. Wenn man es woanders geschafft hat, kann man ja wieder zurückkommen. Aber Berlin ist nicht die Welt, das müssen unsere Absolventen erkennen.
Interview: NINA APIN
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