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Der Mann mit den zwei Gesichtern

JUBILAR George Soros schwankt seit Jahrzehnten zwischen Heuschrecke und Wohltäter. Jetzt wird er achtzig

Das Leben des George Soros

 Mensch: Am 12. August 1930 wird George Soros in Budapest geboren, die deutsche Besetzung überlebt er trotz jüdischer Herkunft. Auf der Flucht vor den sowjetischen Besatzern emigriert er 1947 nach England. Dort studiert Soros Wirtschaftswissenschaften und übersiedelt 1956 in die USA, wo er seitdem lebt. Diese Woche wird George Soros 80 Jahre alt.

 Heuschrecke: Seit Ende der 1960er verdient Soros Milliarden mit Risikofonds. Mit folgenschweren Spekulationen, etwa auf ausländische Währungen, sorgt er regelmäßig für Schlagzeilen.

 Wohltäter: Seit den 1970ern engagiert sich Soros mit hohen Geldsummen vor allem für Bildungseinrichtungen und zivilgesellschaftliche Initiativen.

VON CHRISTIAN SEMLER

Dass es Kapitalisten gibt, die Ausbeutung und Menschenfreundlichkeit verbinden, ist zwar paradox, aber es passiert. Dass aber ein Super-Spekulant, der mit Milliarden spielt, der ganze Heuschreckenschwärme kommandiert, der Regierungen zittern lässt, gleichzeitig gewichtige Teile seines Vermögens positiven Zwecken zuwendet, ist eine absolute Ausnahmeerscheinung.

Die Ausnahme heißt Georges Soros, ein amerikanischer Investor ungarischer Herkunft, der dieser Tage achtzig Jahre alt wird. Und dessen philanthropische Anwandlungen nicht der Altersreue entspringen, sondern seine geschäftliche Tätigkeit seit Jahrzehnten begleiten. Nur Geld machen, so Soros gegenüber der Wirtschaftswoche, hat ihn stets gelangweilt.

George Soros, Kind einer wohlhabenden Familie mit jüdischen Wurzeln, entkam der nazistischen Mordmaschine. Er floh 1947, als der Stalinismus in Ungarn seine Herrschaft aufrichtete. Studiert hat er in London, der bedeutende Wissenschaftstheoretiker und -historiker Karl Popper wurde dort sein Lieblingslehrer.

Von Popper übernahm Soros die Idee der „offenen Gesellschaft“. Darunter verstand Popper das liberale Gegenbild zur Vorstellung einer „geschlossenen Gesellschaft“, die, ehernen Gesetzmäßigkeiten folgend, auf ein historisch vorgegebenes Ziel lossteuerte und deshalb die individuelle Entscheidungsfreiheit leugnete. Popper war kein radikaler Marktliberaler, politisch eher Sozialdemokrat. Und auch Soros wurde nie zu einem „Neoliberalen“, der den Staatseinfluss auf die Ökonomie auf null drücken möchte.

Zu Ende der sechziger Jahre gründete Soros, nachdem er bereits im Finanzgeschäft Erfahrungen gesammelt hatte, seinen ersten eigenen Hedgefonds, den Quantum-Endowment-Fund. Er brachte es in den folgenden Jahrzehnten mit diesem und weiteren Fonds auf enorme Gewinne. Auf der Basis interner („Insider“) Informationen erzielte er bei der Krise der französischen Großbank „Société Générale“ einen Milliardengewinn, der ihm allerdings eine Verurteilung seitens der französischen Justiz einbrachte.

Einen großen Coup landete Soros 1992 bei der Spekulation gegen das – nach Soros’ Analyse überbewertete – britische Pfund. Nur dank solcher Einsichten in reale Trends konnte er Spekulationslawinen auslösen.

Soros, der Herr der Heuschrecken, gehört heute zu den schärfsten Kritikern ungehemmter Finanzspekulation. Seiner Überzeugung nach tendieren unregulierte Finanzmärkte von sich aus zu keinem Gleichgewichtszustand. Eine schroffe staatliche Regulierung sei notwendig. Was bislang geschah, verdiene diesen Namen nicht. Das sagt allerdings ein Mann, dessen Fonds, auf den bekannten paradiesischen Inseln angesiedelt, sich der Kontrolle der amerikanischen Finanzaufsicht entziehen. Soros war gegen den Irakkrieg, was ihn nicht hinderte, in Rüstungsaktien zu investieren. Er sagt, er spiele gemäß den geltenden Regeln. Sei aber dafür, diese zu verändern.

Der Herr der Heuschrecken gehört zu den schärfsten Kritikern ungehemmter Finanzspekulation

Soros hat demokratische Initiativen in Osteuropa und Lateinamerika unterstützt. Hauptsächlich mit dem Ziel, für Meinungs- und Informationsfreiheit einzutreten und nichtstaatliche Initiativen in weiten gesellschaftlichen Bereichen zu fördern. Dies geschah mit Hilfe des „Open Society Institute“ und des Soros-Fonds. Diese Institutionen sind jeweils auf nationaler Ebene organisiert und autonom, allerdings behält Soros das letzte Wort bei der Finanzierung. Erst funktionierten die Einrichtungen des Open-Society-Fonds als wichtige Instrumente, um die Herrschaft der Realsozialisten auszuhebeln. Aber es dauerte nicht lange, bis sie nach den demokratischen Revolutionen ins Visier autoritärer und nationalistischer Parteien und Regierungen gerieten. So wurde Soros nicht selten vom gefeierten Freiheitsmäzen zum wurzellosen Juden, der die Jugend ihrem Vaterland entfremde.

In der letzten Phase der Bush-Ära hat Soros die USA zum politischen Entwicklungsland erklärt und begonnen, Bürgerbewegungen zu finanzieren. Er ist Parteigänger Obamas, allerdings mit dessen politischen Resultaten unzufrieden. Die Bankenregulierungen der USA gelten ihm als zahnlos.

Auch an der deutschen Sparpolitik lässt Soros kein gutes Haar. Er wirft der Regierung vor, die Deflation anzuheizen und die Eurozone in die Krise zu führen. Den Verdacht des Wall Street Journal, gegen den Euro spekulieren zu wollen, weist er allerdings weit von sich.

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