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Keine Kameras auf dem Bahnhofsklo

Unionpolitiker fordern nach den Bombenfunden mehr Videoüberwachung. Brandenburgs CDU-Innenminister Schönbohm will sogar in Bahnabteilen filmen lassen. Datenschützer sind dagegen. „Das Zuginnere ist kein Ort von öffentlicher Bedeutung“

AUS BERLIN CHRISTIAN PANSTER

Der Fund von selbst gebastelten Bomben an den Bahnhöfen in Dortmund und Koblenz hat bei einigen Unionspolitikern hektische Betriebsamkeit ausgelöst.

So fordert Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) eine „großflächige Überwachung“ von Bahnhöfen, Gleiches tut der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Wolfgang Bosbach (CDU). Albrecht Buttolo (CDU), Innenminister in Sachsen, sagte der Zeitung Welt, dass das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger und Reisenden dadurch nachhaltig gestärkt würde. Sein Amtskollege aus Brandenburg, CDU-Innenminister Jörg Schönbohm, will sogar in den Zügen filmen lassen.

Johann Bizer sieht das anders. Der Datenschutzexperte des Landes Schleswig-Holstein nennt die Diskussion „populistisch“. Verhindern werde man Terroranschläge wie beispielsweise den im vergangenen Jahr in London, bei dem mehr als 50 Menschen getötet worden waren, damit kaum. Das aufgezeichnete Videomaterial könne bestenfalls helfen, die Täter zu schnappen – wenn überhaupt.

Eine umfassende Überwachung an Bahnhöfen und insbesondere in Zügen wirft zudem verfassungsrechtliche Fragen auf. Das Bundesdatenschutzgesetz jedenfalls erlaubt es der Bahn nicht, Zugreisende bis in den letzten Winkel, das Bordrestaurant oder das stille Örtchen mit der Kamera zu verfolgen.

Nach dem Hausrecht müsse das Überwachen transparent und verhältnismäßig sein, so Bizer. Transparent sei es, wenn der Fahrgast die installierten Kameras leicht erkennen und sich der ihm zugedachten Rolle des Filmdarstellers entziehen kann. Platzkarteninhaber im Schnellzug hätten da ein Problem. Jede Bewegung, jedes Gähnen, das Telefonat mit dem Handy oder die angeregte Unterhaltung mit dem Sitznachbarn – alles würde auf Band festgehalten. „Kaum vorstellbar“, sagt Bizer.

Verhältnismäßig bedeute in diesem Zusammenhang, dass die Bahn nur öffentliche Plätze von besonderer Bedeutung überwachen dürfe. Das Zuginnere als abgeschlossener Raum jedenfalls gehöre nicht dazu, erklärt Bizer.

Aber das ist nichts Neues. Auch die Bahnhöfe in Koblenz und Dortmund sind mit Überwachungskameras ausgestattet. Wie lange das Videomaterial aufbewahrt wird, ist von Fall zu Fall verschieden und wird nach Informationen der Bahn aus „verfahrenstechnischen Gründen“ nicht preisgegeben.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar äußerte sich ebenfalls skeptisch zu den Plänen der Unionspolitiker. Er sei davon überzeugt, dass man nur mit mehr Personal die Sicherheit an den Bahnhöfen verbessern könne.

Die Ruhr Nachrichten hatten gemeldet, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble habe bereits eine Machbarkeitsstudie zur Videoüberwachung von Reisezügen in Auftrag gegeben. Eine Sprecherin des Innenministeriuims dementierte dies gestern. Es gebe lediglich eine Arbeitsgruppe von Bundespolizei und Deutscher Bahn, die sich mit der Videoüberwachung beschäftige.

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