Diskriminierung und Terror: Kommentar von RALF SOTSCHECK
Britische Kabinettsminister haben zu recht seit Jahren gewarnt, dass Großbritannien mit terroristischen Anschlägen rechnen müsse. Sie haben allerdings erheblich dazu beigetragen, dass diese Prophezeiung eintraf. Abgesehen von dem Angriff auf den Irak, der auf Fälschungen und Lügen basierte, hat die britische Regierung mit ihren Anti-Terrormaßnahmen eine Spirale in Gang gesetzt, deren Ende nicht abzusehen ist.
Die unbefristeten Internierungen, die die Regierung nach den Anschlägen in den USA anordnete, betrafen ausländische Muslime. Nachdem diese Praxis vor anderthalb Jahren vom britischen Oberhaus als Diskriminierung eingestuft wurde, verhängte die Regierung Hausarrest gegen Terrorverdächtige und wandte dieses Mittel wegen des Diskriminierungsvorwurfs auch gegen britische Bürger an – gegen britische Muslime. Vor zehn Tagen entschied ein Richter, dass Hausarrest nichts anderes als Internierung mit anderen Mitteln sei und gegen die Menschenrechte verstoße.
Innenminister John Reids Reaktion darauf ist erstaunlich: Er beschuldigte die Gerichte, die anti-terroristischen Maßnahmen der Regierung zu behindern und kündigte eine Verschärfung der Gesetze an, die den Richtern die Urteile mehr oder weniger diktieren. Dass dabei Menschenrechte auf der Strecke bleiben, müsse man in Kauf nehmen. Die Zeiten seien eben so.
Auch diese Gesetze werden, wie in der Vergangenheit, vor allem gegen ethnische Minderheiten eingesetzt werden. Bei einer solchen Kriminalisierungspolitik spielen geheimdienstliche Erkenntnisse keine Rolle. Es kommt auf die Hautfarbe an, wer durchsucht, festgenommen oder erschossen wird – so letztes Jahr im Fall des Brasilianers Charles de Menezes.
Reid hat in den hundert Tagen seiner Amtszeit bereits eindrucksvoll belegt, dass er für den Posten ungeeignet ist. Und was ist von einem Premierminister zu halten, der britische Werte und demokratische Prozesse beschwört, aber eine Berufung gegen eine Abschiebung erst nach erfolgter Deportation zulassen will?
So dreht sich die Spirale ständig weiter. Es ist die britische Bevölkerung, die unter dieser Politik leiden muss.
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