DANIEL BAX ÜBER DEN VORSCHLAG, EDATHY AUS DER SPD AUSZUSCHLIESSEN: Gabriels Flucht nach vorn
Dass die SPD über das Verhalten ihres Ex-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy „entsetzt und fassungslos“ ist, wie es Sigmar Gabriel in einem Rundbrief an die Parteimitglieder formuliert hat, ist absolut verständlich und nachvollziehbar.
Ein Bundestagsabgeordneter, der von seinem Büro oder von zu Hause aus im Netz fragwürdige Nacktbilder von Minderjährigen bestellt, muss jeder Partei unangenehm sein, und Edathy bestreitet seinen Einkauf auch nicht. Mehr als das kann man Edathy aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorwerfen, und strafbar gemacht hat er sich damit noch nicht.
Dass Gabriel jetzt aber auch noch verlauten lässt, dass er Edathy am liebsten aus der Partei werfen würde, ist daher völlig überzogen. Gabriel ergreift die Flucht nach vorne und bedient mit solchem Populismus direkt die Stammtisch-Gefühle einer Gesellschaft, die ihr Urteil über Edathy längst gefällt hat. Und er tut das, um vom dilettantischen Krisenmanagement der SPD-Spitze abzulenken.
Wer die SPD schon etwas länger beobachtet, der reibt sich aber noch aus einem anderen Grund die Augen. Parteiausschluss, da war doch was? Richtig: Fast zwei Jahre lang quälte sich die Partei zwischen 2009 und 2011 durch zwei Parteiordnungsverfahren. Doch am Ende schaffte sie es nicht, einen Thilo Sarrazin vor die Tür zu setzen – und das, obwohl dessen rassistische Weltsicht und seine abfälligen Äußerungen über Muslime oder Hartz-IV-Empfänger allem widersprechen, wofür die SPD eigentlich stehen sollte.
Gabriel hat aus dem gefloppten Ausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin offenbar nichts gelernt. Wo seine Partei bei Sarrazin zu feige war, beweist er jetzt Gratismut. Aber warum soll jetzt plötzlich etwas so einfach gehen, was bei Letzterem angeblich nicht möglich war? Glaubwürdig ist das nicht.
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